Posts Tagged ‘BDP’

Der rührige Geschäftspartner des Lukas Reimann

Monday, February 16th, 2009
SVP-Nationalrat Lukas Reimann nutzt das Internet intensiv. Dabei hilft ihm eine schillernde Person, die auf Websites politische Gegner beschimpft.

Von Christian Bütikofer

Wie kein anderer Nationalrat weiss der St. Galler SVP-Mann Lukas Reimann, 26, das Internet für sich zu nützen. Dafür nimmt er die Dienstleistungen von Geschäftspartner Reimut Massat, 34, und dessen Chamäleon Media in Anspruch.

Gegenüber dem TA sagte Reimann, er habe «politisch kaum Kontakte» mit Massat, «schon gar nicht im Internetbereich».

Massat betreibt verschiedene Blogs für Reimann, verlinkt auf dutzenden Webseiten zu Reimanns Websites und versucht, ihn damit bei Google prominent zu platzieren. Massat habe ihm dies gratis angeboten, sagt Reimann, er habe ihm dafür noch nie etwas bezahlt.

Verhöhnung von Widmer-Schlumpf

Kurz vor der Abstimmung über die Personenfreizügigkeit kamen Reimann und Massat ins Gespräch, weil dessen Ex-Geschäftspartner Markus Gäthke die unseriöse Website Come-to-switzerland.com aufschaltete.

Nachdem der TA diese Verstrickungen bekannt machte, wollte Gäthke seine Site nur noch als «Satire» verstanden wissen und behauptete, er habe allein gehandelt. Vor seinem späten Dementi gab er an, die Seite für Dritte zu betreiben, dann versteckte er sich tagelang und löschte Spuren zu Massat.

Dessen Chamäleon Media unterhält zahlreiche teilweise anonyme Websites, in denen Bundesräte und politische Gegner lächerlich gemacht werden. So etwa die Website Gargamel.info. Dort wird Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf als «die wohl widerwärtigste Person» der Schweizer Politik beschrieben, und man bekommt den Tipp: «Halten Sie einen Eimer zum Erbrechen in der Nähe.»

Das Design der Website heisst «Reimann». Lukas Reimann kann sich keinen Reim machen, warum sein Name dort auftaucht. «Ich habe nichts mit dieser Seite zu tun», sagte er dem TA. Massat erklärt: «Wir wollten die Website von Reimann neu gestalten. Einen Teil des Codes dieser Website benutzten wir auch für die Gargamel-Site.»

Massat ist Direktor der Schweizerischen Wertpapierabrechnungsgesellschaft (SWAG). Für sie fand er in Reimann einen prominenten Mitgründer. Die SWAG fungiert nach eigenen Angaben als «Finanzintermediär», ist laut Finanzmarktaufsicht (Finma) bis heute aber keiner Selbstregulierungsorganisation (SRO) unterstellt und wird auch nicht von der Finma beaufsichtigt. Seit 2000 unterstehen Finanzintermediäre dem Geldwäschereigesetz und müssen sich einer SRO oder der Finma unterstellen. Diese trifft jetzt Vorabklärungen, was es mit der SWAG auf sich hat, wie Pressesprecher Tobias Lux bestätigte.

Reimann erklärte, die SWAG habe bisher keine Geschäftstätigkeit entwickelt. Massat habe ihm gegenüber gemeint, weil die Firma bloss vermittle, müsse sie nicht reguliert werden. Reimann betont, er habe seine Pflichten als Verwaltungsrat wahrgenommen und kein Salär bezogen.

Konkretere Hinweise erhält man, wenn man Massats Vergangenheit näher betrachtet. Vor der SWAG gründete er die Schweizerische Börsenabwicklungsgesellschaft (SBAG). Deren Zweck: «Finanzintermediär», der sich mit dem Wertpapierhandel beschäftigt. Auf deren Website heisst es, sie sei das «Bindeglied zwischen Depotstelle und dritten Finanzintermediären», vermittle also nur.

TA-Recherchen zeigen: Obwohl Massat keine Unterschriftsberechtigung besass, führte er in der SBAG die Geschäfte und eröffnete Konten. Im August 2006 unterstellte er die Firma der SRO Polyreg. Aber schon im Februar 2007 zahlte er den Jahresbeitrag nicht mehr, die SBAG wurde von Polyreg ausgeschlossen und Massat verliess die Firma. Wie es scheint, transferierte er das gleiche Geschäftsmodell in die neue Firma SWAG.

Zudem betreibt Massat in Zug die Firma Helvetia Treuhand-Union. Als der im Handelsregister als Domizilhalter eingetragene L. erfuhr, dass die Firma bei ihm residiere, fiel er aus allen Wolken: «Ich habe mit Massat abgemacht, dass er seine Firma sofort nach St. Gallen zügeln soll», sagt er. Denn immer wieder flatterten bei ihm Betreibungen ein. L. leitete sie an Massat weiter – und bekam sie zurück mit dem Vermerk «nicht abgeholt».

Irgendwann reichte es L. und er suchte Massat auf. Doch dieser öffnete die Türe nicht. «Erst als ich drohte, das Fenster einzuschlagen, öffnete er», berichtet L. Darauf angesprochen bestätigt Massat, zwischen ihm und L. sei die Kommunikation schwierig gewesen.

Massat legt Wert darauf, dass es bei den Betreibungen vorwiegend um eine Steuerschätzung gegangen sei. L. sei zudem für alles bezahlt worden.

Für Massat schienen die Erfahrungen mit Gläubigern jedenfalls inspirierend gewesen zu sein, und der Jungunternehmer wollte selbst im Inkasso mitmischen. Er gründete die Allgemeine Inkasso-Union (Inkasso-union.ch). Diese bietet ein Detektiv-Netz und einen «persönlichen Besuch beim Schuldner» an. Massat sagt dazu: «Diese Firma ist nicht aktiv und war auch nie aktiv. Es besteht lediglich eine Satireseite.»

Konkurs in Sicht? Ab auf die Bahamas!

Die Firmengründungen mit identischem Zweck machen stutzig. Massat trat in der Schweiz erstmals 1998 mit der Massat Treuhand in Erscheinung, die sich auch Börsengeschäfte auf die Fahne schrieb. Wie ein Ex-Mitarbeiter berichtet, wurde damals mit einem Effektenhändler geschäftet, dessen Firma von der Bankenkommission (EBK) liquidiert wurde. Darum flossen für die Treuhand keine Provisionen für bereits geleistete Dienste.

Massat legt Wert darauf, dass dabei keine Kundengelder veruntreut wurden. Anfang 1999 ging die erste Konkursandrohung ein. Im Juli 2000 übertrug Massat alle Anteile an eine Briefkastenfirma auf den Bahamas und verliess die Firma. Knapp ein Jahr später meldete die Massat Treuhand Konkurs an. Den Gläubigerforderungen von über 66 000 Franken standen ein Bankkonto mit 15 Rappen und ein Telefon im Wert von 50 Franken gegenüber.

Wenige Monate nach dieser Pleite gründete Massat die Helvetia Treuhand. Auch dieser Firma war kein langes Leben beschieden: Ende 2003 kündigte deren Domizilhalter. Bald danach wurde die Firma zwangsgelöscht, weil keine Post mehr zugestellt werden konnte.

© Tages-Anzeiger; 16.02.2009