Ein Mausklick, und schon hat man einen Vertrag abgeschlossen, ohne es zu merken. Die Internet-Gauner werden immer raffinierter.
Von Hugo Stamm und Christian Bütikofer
Peter L. bekommt per Spam-Mail die Adresse einer interessanten Homepage zugeschickt. Dort wird ein kostenloser Berufswahltest angeboten. Der Sekundarschüler wird neugierig und füllt – wie aufgefordert – das Adressformular aus, klickt aufs Feld «Test starten» und freut sich auf die Aufgaben.
Die erste Enttäuschung folgt rasch: Der Test wirkt handgestrickt. Erst jetzt fällt ihm auf, dass er nicht auf der offiziellen Adresse der Bundesagentur für Arbeit (www.berufswahl.de) gelandet ist, sondern bei einer ähnlichen Internetadresse (www.berufs-wahl.de) eines unbekannten Anbieters.
Die zweite Überraschung folgt ein paar Tage später und kostet Geld. Der Postbote bringt ihm eine Rechnung von 59 Euro (ca. 100 Fr.). Nach einigem Grübeln wird ihm klar, dass er mit dem verhängnisvollen Klick ahnungslos einen Vertrag «unterschrieben» hat. Er recherchiert im Internet und findet heraus, dass er Schwindlern auf den Leim gekrochen ist. Ihm wird auch klar, wo er den Fehler begangen hat: Bei einem Gratistest wäre es nicht nötig, seine Adresse anzugeben. Mit dem Mausklick hatte er einen Vertrag akzeptiert, was er im Kleingedruckten am Ende der Homepage nun nachlesen konnte.
Solche Lockvögel mit den versteckten Verträgen schwirren in riesigen Zahlen durchs Internet. Nicht nur der Schüler L. ging ins Netz, unzählige Schweizer lassen sich von den deutschen Schwindlern übertölpeln. «Wir haben täglich zwei bis drei Anrufe deswegen», erklärt Franziska Troesch-Schnyder, Präsidentin des Konsumentenforums. Schüler L. kam noch billig weg, denn viele schliessen ungewollt teure und langfristige Abonnementsverträge ab.
Langfristige Abonnemente
Der Berufswahltest ist nur ein Beispiel. Die Fantasie der Abzocker ist grenzenlos. Sie bieten angeblich kostenlose Computerprogramme, Spiele und Musik an. Wer die Adresse zurückschickt, löst ungewollt ein oft langfristiges Abo mit Monatsraten. Zu den unsauberen Angeboten der Schwindler gehören auch Anleitungen zum Flirten, IQ-Tests, Witze, Songtexte, Hausaufgabenhilfe, Beratung bei Alkoholproblemen, Bastelhilfe, SMS-Gratisversand, Genealogie, Voraussagen über die Lebenserwartung und vieles mehr.
Perfid sind auch die so genannten Gewinnspiele. So schreibt die «Rechtsabteilung Friedrich Müller» ihre «Kunden» persönlich an und verkündet den «Gewinn-Bescheid» von zwei Millionen Euro. Die «Gewinner» müssen innerhalb von zwei Tagen den Gewinnanspruch telefonisch kundtun und werden endlos hingehalten – bei 4,99 Franken pro Minute. Einen Gewinn gibts natürlich nicht, nur eine hohe Telefonrechnung.
Nicht nur junge Leute fallen auf die Tricks der Betrüger herein, auch die Mitarbeiter grosser Unternehmen und Gemeindeverwaltungen lassen sich immer wieder täuschen, wie das Konsumentenforum berichtet. Diese fallen vor allem auf Adressbuchschwindler herein, die Anzeigen für nutzlose Branchenbücher im Web anbieten. Die Firma Webclick zum Beispiel verlangt rund 1900 Fr. für ein Jahresabo. Im Vergleich dazu sind Grundeinträge beim umfassenden Branchenverzeichnis «Gelbe Seiten» gratis.
Wer sich vom verhängnisvollen Klick hat verleiten lassen, wird meist hart von den Internetschwindlern bedrängt. Nach Mahnungen flattern ihnen Zahlungsaufforderungen von Anwaltskanzleien oder Inkassobüros ins Haus, in denen rechtliche Schritte angedroht werden. Aus Angst vor Betreibungen lassen sich viele einschüchtern und zahlen wütend, aber resigniert.
Führend in diesem schmutzigen Geschäft sind die deutschen Brüder Manuel und Andreas Schmidtlein. Obwohl sie im vergangenen Sommer zu einer Strafe von rund 40 000 Franken verurteilt worden sind, betreiben sie den Schwindel leicht modifiziert weiter. Sie nehmen Sanktionen in Kauf, verdienen sie sich doch Millionen mit den Tricks. Da sind Gerichtsverfahren und Bussen nur Spesen.
Wer aus Angst vor rechtlichen Folgen die Rechnungen zahlt, macht den nächsten Fehler. Schwindler sind zwar keck im Fordern, doch sie scheuen Betreibungsämter, Staatsanwälte und Richter. Bisher sind keine Fälle in der Schweiz bekannt, bei denen die deutschen Internetgauner das Geld auf rechtlichem Weg eingetrieben hätten.
Wer aber keine Risiken eingehen will, kann sich absichern und dem Rechnungssteller einen eingeschriebenen Brief schicken. Denn es handelt sich um absichtliche Täuschung oder Irreführung. Ein Satz mit drei Argumenten genügt: «Ich fechte den Vertrag an und erkläre ihn für nichtig, weil er irreführend ist.» Damit hätte man alle Bedingungen erfüllt, um vor Gericht bestehen zu können.
Zuflucht in der Innerschweiz
Die Hintermänner der Abofallen sitzen oft in Zug, Luzern und Obwalden. Etliche deutsche Geschäftemacher haben sich dort eingenistet, nachdem sie durch ihre Abzockerorgien im Web einschlägig bekannt wurden.

Trotz schnell verdientem Geld mit Abofallen siehts in Hiebs und Wilichowskis Schatulle offenbar ziemlich elend aus. Mit beiden beschäftigte sich 2007 das Insolvenzgericht. Tobias Hieb gab gegenüber dem TA zu verstehen, er halte sich seit 2006 nicht mehr im «Internet-Abonnement-Sektor» auf.
Mit welchen Bandagen die Abofallen-Szene arbeitet, illustrierte kürzlich die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ). Laut FAZ wirft die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main Faustus Eberle und einem seiner Kumpel räuberische Erpressung vor. Sie sollen bei einem Ex-Geschäftspartner mit Gewalt 400 000 Euro eingetrieben haben – der Fall ist pendent. Eine andere Abteilung nimmt sich Firmen aus Eberles Umfeld vor – die Frankfurter erhielten dazu Akten der Zuger Staatsanwaltschaft.
Eberle äusserte sich gegenüber dem TA nicht.
Trotz Strafverfolgung springen weitere Leute auf den Abofallen-Zug auf. So auch die Luzerner Firma Pactus Consulting mit ihrem Fahrschulquiz. Auch hier kooperiert die Kripo Luzern mit der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main.
© Tages-Anzeiger; 03.03.2008