Im Ausland kriegen sie Ärger, in der Schweiz verdienen sie sich eine goldene Nase. Zum dritten Mal seit 2001 suchen deutsche Adressbuchschwindler Schweizer Unternehmen heim.
Von Christian Bütikofer
Webclick wird bei Unternehmern bald für ein böses Erwachen sorgen. Die Zuger Firma verschickt derzeit «Offerten» für einen Eintrag in das Branchenregister «Online-Branchenbuch.ch». Die angefragten Unternehmer sollen die Daten prüfen, den Zettel unterschreiben und an Webclick zurückfaxen. Die Krux liegt im Kleingedruckten: Dort sind Folgekosten von über 3000 Franken für die Firmen versteckt, die mitmachen.
Varianten des verwendeten Formulars wurden von deutschen Gerichten mehrfach als irreführend taxiert. Eine Person wurde in erster Instanz wegen gewerbsmässigen Betrugs verurteilt.
Hinter Webclick steckt Herbert Kerler (39). Auch sein guter Freund und Geschäftspartner Ewald Sikler war schon mit der Zuger Intelligent Media mit irreführenden Brieflein aktiv, die 2001 mit Schwindelofferten und dubiosem SMS-Spam für Furore sorgte. Drei Jahre später doppelte er mit einer neuen Zuger Firma und Formularen nach, die in Deutschland und Österreich gerichtlich verboten worden waren.
«Ich hätte da noch ein Anliegen …»
Der gebürtige Rumäne Sikler und sein Kumpel Kerler hatten ein Problem, weil beide im deutschen Ingolstadt leben. Für ihre Schweizer Firma brauchten sie aber eine Person mit Schweizer Wohnsitz. In D. fanden sie den Strohmann. «Ich hätte da noch ein Anliegen, möchte dich um einen Gefallen bitten», wandte sich Sikler an den Beamten. Ob er nicht für 4000 Franken im Jahr als Geschäftsführer amten wolle. Die mache keine grossen Geschäfte, behauptete er keck. Wie sich zeigte, war dies eine schamlose Untertreibung. Denn mit der Zuger Inventaire Pro deckte Sikler ab 2004 die Schweiz mit Schwindelformularen in allen Landessprachen ein.
Bis heute brachten Sikler und Kerler Millionen ihrer Schwindelformulare in ganz Europa und den USA in Umlauf. Der TA ist im Besitz diverser dazu benützter Datenbanken. Für die Schweiz zählte man 380’000 Firmen.
Beispiel Belgien: Die Datenbank für das EU-Land enthielt über 800’000 Einträge. Knapp 5000 der angeschriebenen Firmen reagierten auf die «Offerte», wie eine Analyse der Daten zeigt. Alleine dort läpperten sich für Kerler so Forderungen im Wert von rund 8,6 Millionen Euro zusammen. Solch geschäftlicher Erfolg sorgte für Aufsehen. Der belgische Kleinunternehmer-Verband Unizo ist gegen Kerler zivilrechtlich vorgegangen. Mit der Folge, dass Kerler sein Treiben bis auf weiteres stoppen musste. Auf Anfrage bestätigt Gijs Kooken von Unizo zudem, dass sich der Deutsche 2009 vor einem belgischen Strafgericht wird verantworten müssen.
Ein Unternehmen aus Siklers ehemaligem Umfeld ist in Frankreich ins Visier der Gerichte gekommen und hart bestraft worden. Dort wurde Geschäftsführer S. der Firma Annuaire Pro letztes Jahr zu eineinhalb Jahren Gefängnis bedingt verurteilt und mit 200 000 Euro gebüsst, nachdem er ein deutlich milderes Urteil angefochten hatte. Zudem musste er die Kläger entschädigen. Laut der Nachrichtenagentur AFP versandte S. in Frankreich insgesamt 2,7 Millionen dieser Schwindelofferten. 16’000 Firmen fielen darauf herein, S. kassierte über 6 Millionen Euro.
Die Beispiele aus Belgien und Frankreich zeigen: Im Ausland gehen Behörden und Selbstregulierungsorganisationen immer wieder gerichtlich gegen Adressbuchschwindler vor. Ursprünglich wollte auch der Verband der seriösen Schweizer Adressbuch- und Datenbankverleger SADV in der Schweiz gegen Sikler juristisch vorgehen. Geschehen ist bisher jedoch nichts.
Der Verband, der Branchenschwergewichte wie Orell Füssli, Publimag oder die Swisscom zu seinen Mitgliedern zählt, setzte bisher nur auf Prävention. Das ist billiger. Aber geradezu eine Einladung für Abzocker, in der Schweiz Millionen zu erschleichen.
Wundersame Geldvermehrung
Ein solches Angebot nimmt Siklers Umfeld gerne an – und diversifiziert. Wenn sich Sikler und Kerler auf Offertentour begeben, bedienen sie sich jeweils handgestrickter Webseiten. Recherchen zeigen, dass dabei das Umfeld der rumänischen Firma Jem Media (Jvi Media) aus Arad eine zentrale Rolle spielt. Sie gehört zu gleichen Teilen Sikler und dem 35-jährigen Kroaten Jasmin Valentic. Mit der Firma bleiben auch die Erträge der Internetdienstleister elegant im eigenen Kreislauf.
Passwort: «0Stress4Success»
Sikler hat in seiner Karriere im Internet schon allerlei probiert. «0Stress4Success» hiess eines seiner Passwörter. Das Motto «Mit null Stress zum Erfolg» scheint sein bevorzugtes Geschäftsmodell zu sein, was eine weitere Webseite nahe legt. Der TA ist im Besitz der Dateien für die Internetseite www.zarobek-pl.com, die auf Siklers Server lagerte und heute für ein Geschäftsmodell wirbt, das einem Schneeballsystem nicht unähnlich ist.
Auf Zarobek soll man in kurzer Zeit locker 30’000 Euro verdienen – indem man «mit einem grossen Lächeln auf dem Gesicht» an eine anonyme E-Mail-Adresse mal schnell 10 Euro einzahlt. Denn: «Es ist ein Gesetz des Universums, dass wir zuerst geben müssen, um zu empfangen», steht da geschrieben.
Zarobek-Webseiten sind für das Deutsche, Englische und Polnische vorgesehen. Nachdem der TA diese Webseite abgefangen hatte, flatterten bei Sikler für genau diese drei Sprachen Dateien mit mehreren Millionen E-Mail-Adressen herein. Der Verdacht liegt deshalb nahe, dass Zarobek über Spam beworben wurde.
Auch von der US-Firma Eve Eagle wurde gespamt. Sikler hostete die Webseite von der Briefkastenfirma Eve Eagle aus dem amerikanischen Bundesstaat Delaware. Deren Spezialität: Massen E-Mail- und SMS-Versand sowie das Scannen von Mobilfunknetzen, um an gültige Handynummern zu gelangen. Auch das Bundesamt für Kommunikation kennt Eve Eagle. Es leitete 2004 gegen die Firma ein Nummernwiderrufsverfahren ein. Sikler und Kerler wollten sich gegenüber dem TA nicht äussern.
© Tages-Anzeiger; 10.12.2007