Archive for the ‘Abofallen’ Category

Badener Kampfsport-Promoter muss vor Gericht

Thursday, September 1st, 2011

Dem Veranstalter der «Grand Casino Fight Night» wird Steuerhinterziehung vorgeworfen. Er hat auch bereits seinen Gerichtstermin in Deutschland. Das Casino Baden wusste von den Vorwürfen an die Adresse des Kampfsport-Promotors nichts. von Christian Bütikofer

In Baden sind die Thaiboxer los. Das Grand Casino Baden verspricht «das ultimative Highlight» für Samstag, wenn die «Grand Casino Baden Fight Night» auf dem Programm steht. Brisant: Der Promoter des Anlasses muss sich in Deutschland wegen mutmasslicher Steuerhinterziehung vor Gericht verantworten.

An der «Grand Casino Baden Fight Night» sollen sich die Besucher an einer Galanacht mit Show und Stars erfreuen, den Thaiboxern bei ihren Kämpfen zuschauen und mitfiebern können. Für die Kämpfer geht es um einiges, wollen sie sich doch für den «internationalen Kingscup» in Bangkok qualifizieren. Für den Event hat sich das Grand Casino Baden mit dem «Kampfsport-Visionär» A. (Name der Redaktion bekannt) zusammengetan.

Über dessen Prestige Agency mit Sitz in Malta wird der Anlass aufgezogen und beworben. Zu kämpfen haben wird A. bald auch in Deutschland – und zwar mit der Justiz. Das zeigen Recherchen der az Aargauer Zeitung. Das Landesgericht Koblenz bestätigt, dass A. und zwei seiner ehemaligen Geschäftspartner Steuerhinterziehung vorgeworfen wird.

Casino: Vorwürfe unbekannt

Beim Grand Casino Baden weiss man nichts von den Beschuldigungen gegen A. «Wir arbeiten zum ersten Mal diesem Partner zusammen», sagt Casino-CEO Detlef Brose. Man habe sich in Basel erkundigt, wo A. bisher drei Box-Meetings reibungslos über die Bühne gebracht habe.

Laut Anklage wird A. und seinen früheren Partnern angelastet, als Verantwortliche des Erotik-Unternehmens Cupido Entertainment in Deutschland Steuern von rund 1,3 Mio. Euro hinterzogen zu haben. Auf einer der Websites, die Cupido betrieb, sollten Privatpersonen selbst gemachte Pornobilder ins Internet stellen. A. war während längerer Zeit Geschäftsführer dieser Firma mit Sitz in Frauenfeld, Thurgau. Die Koblenzer Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Cupido von Deutschland aus geleitet wurde. Zudem seien rund 90 Prozent der Kunden in Deutschland ansässig gewesen. Die daher auch in Deutschland fällige Umsatzsteuer hätten die Angeklagten 2004 bis 2007 nicht erklärt und nicht bezahlt.

Der Anwalt von A. liess auf eine az-Anfrage hin verlauten, sein Mandant sei nicht bereit, «irgendwelche Auskünfte zu geben».

© az Aargauer Zeitung 2011, 01.09.2011

Internet-Schwindler zocken mit Abofallen kräftig ab

Friday, June 11th, 2010

Ein Mausklick, und schon hat man einen Vertrag abgeschlossen, ohne es zu merken. Die Internet-Gauner werden immer raffinierter.


Von Hugo Stamm und Christian Bütikofer

Peter L. bekommt per Spam-Mail die Adresse einer interessanten Homepage zugeschickt. Dort wird ein kostenloser Berufswahltest angeboten. Der Sekundarschüler wird neugierig und füllt – wie aufgefordert – das Adressformular aus, klickt aufs Feld «Test starten» und freut sich auf die Aufgaben.

Die erste Enttäuschung folgt rasch: Der Test wirkt handgestrickt. Erst jetzt fällt ihm auf, dass er nicht auf der offiziellen Adresse der Bundesagentur für Arbeit (www.berufswahl.de) gelandet ist, sondern bei einer ähnlichen Internetadresse (www.berufs-wahl.de) eines unbekannten Anbieters.

Die zweite Überraschung folgt ein paar Tage später und kostet Geld. Der Postbote bringt ihm eine Rechnung von 59 Euro (ca. 100 Fr.). Nach einigem Grübeln wird ihm klar, dass er mit dem verhängnisvollen Klick ahnungslos einen Vertrag «unterschrieben» hat. Er recherchiert im Internet und findet heraus, dass er Schwindlern auf den Leim gekrochen ist. Ihm wird auch klar, wo er den Fehler begangen hat: Bei einem Gratistest wäre es nicht nötig, seine Adresse anzugeben. Mit dem Mausklick hatte er einen Vertrag akzeptiert, was er im Kleingedruckten am Ende der Homepage nun nachlesen konnte.

Solche Lockvögel mit den versteckten Verträgen schwirren in riesigen Zahlen durchs Internet. Nicht nur der Schüler L. ging ins Netz, unzählige Schweizer lassen sich von den deutschen Schwindlern übertölpeln. «Wir haben täglich zwei bis drei Anrufe deswegen», erklärt Franziska Troesch-Schnyder, Präsidentin des Konsumentenforums. Schüler L. kam noch billig weg, denn viele schliessen ungewollt teure und langfristige Abonnementsverträge ab.

Langfristige Abonnemente

Der Berufswahltest ist nur ein Beispiel. Die Fantasie der Abzocker ist grenzenlos. Sie bieten angeblich kostenlose Computerprogramme, Spiele und Musik an. Wer die Adresse zurückschickt, löst ungewollt ein oft langfristiges Abo mit Monatsraten. Zu den unsauberen Angeboten der Schwindler gehören auch Anleitungen zum Flirten, IQ-Tests, Witze, Songtexte, Hausaufgabenhilfe, Beratung bei Alkoholproblemen, Bastelhilfe, SMS-Gratisversand, Genealogie, Voraussagen über die Lebenserwartung und vieles mehr.

Perfid sind auch die so genannten Gewinnspiele. So schreibt die «Rechtsabteilung Friedrich Müller» ihre «Kunden» persönlich an und verkündet den «Gewinn-Bescheid» von zwei Millionen Euro. Die «Gewinner» müssen innerhalb von zwei Tagen den Gewinnanspruch telefonisch kundtun und werden endlos hingehalten – bei 4,99 Franken pro Minute. Einen Gewinn gibts natürlich nicht, nur eine hohe Telefonrechnung.

Nicht nur junge Leute fallen auf die Tricks der Betrüger herein, auch die Mitarbeiter grosser Unternehmen und Gemeindeverwaltungen lassen sich immer wieder täuschen, wie das Konsumentenforum berichtet. Diese fallen vor allem auf Adressbuchschwindler herein, die Anzeigen für nutzlose Branchenbücher im Web anbieten. Die Firma Webclick zum Beispiel verlangt rund 1900 Fr. für ein Jahresabo. Im Vergleich dazu sind Grundeinträge beim umfassenden Branchenverzeichnis «Gelbe Seiten» gratis.

Wer sich vom verhängnisvollen Klick hat verleiten lassen, wird meist hart von den Internetschwindlern bedrängt. Nach Mahnungen flattern ihnen Zahlungsaufforderungen von Anwaltskanzleien oder Inkassobüros ins Haus, in denen rechtliche Schritte angedroht werden. Aus Angst vor Betreibungen lassen sich viele einschüchtern und zahlen wütend, aber resigniert.

Führend in diesem schmutzigen Geschäft sind die deutschen Brüder Manuel und Andreas Schmidtlein. Obwohl sie im vergangenen Sommer zu einer Strafe von rund 40 000 Franken verurteilt worden sind, betreiben sie den Schwindel leicht modifiziert weiter. Sie nehmen Sanktionen in Kauf, verdienen sie sich doch Millionen mit den Tricks. Da sind Gerichtsverfahren und Bussen nur Spesen.

Wer aus Angst vor rechtlichen Folgen die Rechnungen zahlt, macht den nächsten Fehler. Schwindler sind zwar keck im Fordern, doch sie scheuen Betreibungsämter, Staatsanwälte und Richter. Bisher sind keine Fälle in der Schweiz bekannt, bei denen die deutschen Internetgauner das Geld auf rechtlichem Weg eingetrieben hätten.

Wer aber keine Risiken eingehen will, kann sich absichern und dem Rechnungssteller einen eingeschriebenen Brief schicken. Denn es handelt sich um absichtliche Täuschung oder Irreführung. Ein Satz mit drei Argumenten genügt: «Ich fechte den Vertrag an und erkläre ihn für nichtig, weil er irreführend ist.» Damit hätte man alle Bedingungen erfüllt, um vor Gericht bestehen zu können.

Zuflucht in der Innerschweiz

Die Hintermänner der Abofallen sitzen oft in Zug, Luzern und Obwalden. Etliche deutsche Geschäftemacher haben sich dort eingenistet, nachdem sie durch ihre Abzockerorgien im Web einschlägig bekannt wurden.

Zu diesem Kreis gehörten auch Faustus Eberle und das Duo Tobias Hieb/Andreas Wilichowski. Hieb zählte für seine Schweizer Firmen auf die Hilfe einer Person, gegen die die Zürcher Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Gründungsschwindel ermittelt.

Trotz schnell verdientem Geld mit Abofallen siehts in Hiebs und Wilichowskis Schatulle offenbar ziemlich elend aus. Mit beiden beschäftigte sich 2007 das Insolvenzgericht. Tobias Hieb gab gegenüber dem TA zu verstehen, er halte sich seit 2006 nicht mehr im «Internet-Abonnement-Sektor» auf.

Mit welchen Bandagen die Abofallen-Szene arbeitet, illustrierte kürzlich die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ). Laut FAZ wirft die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main Faustus Eberle und einem seiner Kumpel räuberische Erpressung vor. Sie sollen bei einem Ex-Geschäftspartner mit Gewalt 400 000 Euro eingetrieben haben – der Fall ist pendent. Eine andere Abteilung nimmt sich Firmen aus Eberles Umfeld vor – die Frankfurter erhielten dazu Akten der Zuger Staatsanwaltschaft.

Eberle äusserte sich gegenüber dem TA nicht.

Trotz Strafverfolgung springen weitere Leute auf den Abofallen-Zug auf. So auch die Luzerner Firma Pactus Consulting mit ihrem Fahrschulquiz. Auch hier kooperiert die Kripo Luzern mit der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main.


© Tages-Anzeiger; 03.03.2008

Webabzocker mit immer dreisteren Methoden

Monday, February 2nd, 2009

Von Christian Bütikofer

Webseiten mit angeblichen Gratisangeboten entpuppen sich oft als Abofallen. Anschliessend werden die Geneppten mit Anwaltsschreiben belästigt.

Tamedia-Informatiker C. staunte nicht schlecht. Vor einigen Tagen suchte er im Internet eine Software und surfte auf die Seite Opendownload.de. Zum Herunterladen des Gratisprogramms musste er dort vorher ein unscheinbares Formular ausfüllen. Kurze Zeit später erhielt er Post vom norddeutschen Anwalt Olaf Tank aus Osnabrück. Inhalt: C. schulde ihm 138 Euro für die Benutzung der Webseite. Eine Frechheit, findet C. – er konnte die Software nicht einmal herunterladen. Und wird den angemahnten Betrag nicht bezahlen.

Wie Foreneinträge beim «Kassensturz» des Schweizer Fernsehens zeigen, ist C. bei weitem nicht alleine. Unzählige Personen beschweren sich dort über das «Gratis»-Angebot auf Opendownload.de der Content Services Ltd. aus Mannheim. Gegründet wurde die Briefkastenfirma im Juli 2007 vom 28-jährigen Alexander Varin. Er dürfte als Strohmann fungieren. Einmal gibt er als Land, in dem er sich aufhält, die Slowakei an, dann will er wieder in Frankfurt am Main leben.

Ein Anwalt für alle Fälle

Die Content Services betreibt gleich Dutzende Webseiten mit versteckter Kostenpflichtigkeit, so etwa Grusskarten-suchen.de oder Jede-Frau-Abschleppen.de. Verwaltet werden alle Seiten in Österreich bei der Firma Maxolution. Für die Webseiten macht Rechtsanwalt Olaf Tank gehörig Druck beim Inkasso. Er ist in der Internetszene einschlägig bekannt. Sein Geschäft scheint zu brummen. Inzwischen hat er Zweigstellen in Düsseldorf, Hamburg und München. Zu Beginn seiner Karriere als Inkasso-Anwalt verschickte er 2005 Briefe für den Abzocker Brian Corvers (23). Der beschäftigte die Staatsanwaltschaft Wiesbaden. Unter der Domain Probino.de bot er einen «Warenprobeneintragsservice» an. In Wahrheit handelte es sich um ein kostenpflichtiges Abonnement – die übliche Masche, bei der die Kostenpflichtigkeit im Kleingedruckten erwähnt wird. Nicht lange, und die bekannten Tank-Briefe mit der Inkasso-Mahnung landeten bei den Geneppten. Bei den Geschäften Corvers, für die Tank auf Inkasso-Tour ging, besteht der Verdacht, dass es sich um nichts anderes als Betrug handelte. Im Internet warben getäuschte Verbraucher dafür, Anzeige zu erstatten – über 1500 trafen bei der Staatsanwaltschaft Wiesbaden ein. Der zuständige Staatsanwalt wirft Corvers inzwischen vor, in 1638 Fällen versuchten Betrug und in 66 Fällen vollendeten Betrug begangen zu haben. Die Probino-Abzocke füllt gegen 100 Aktenordner, wie der «Wiesbadener Kurier» unlängst berichtete.

«Prix Blamage» für die Schmidtleins

Nach dieser Episode wandte sich Olaf Tank einem neuen Kunden zu: den Schmidtlein-Brüdern aus Südhessen. Die gaunerten jahrelang im Web mit Pseudo-Gratis-Webseiten herum. Auch hier wurden die Kosten im Kleingedruckten genannt, Opfer waren meist Schüler. Bei den Hereingefallenen sorgte Olaf Tank anschliessend für Druck durch die bekannten Inkasso-Briefe. Die Schmidtleins wurden letztes Jahr vom Landesgericht Darmstadt zu einer Strafe von rund 40’000 Franken verurteilt. Und das Konsumentenmagazin «Der Beobachter» «ehrte» die Schmidtleins 2007 und 2008 mit dem «Prix Blamage».

Als Olaf Tank selbst mal einen Anwalt brauchte, liess er sich vom Münchner Bernhard Syndikus vertreten. Auch er ist in Deutschland dafür bekannt, immer wieder mit dubiosen Mandaten für Negativschlagzeilen zu sorgen, etwa mit der von der Polizei 2005 ausgehobenen Raubkopienseite FTP-Welt, über die Software verkauft wurde.

Wie man sich wehrt

Die Schweizerische Kriminalprävention rät, auf keinen Fall die Rechnungen zu zahlen, denn es handelt sich um absichtliche Täuschung oder Irreführung. Das Gleiche rät auch der «Ktipp» sowie andere Verbraucherzeitschriften. Wer ganz sicher gehen will, schreibt Olaf Tank und der Firma einen eingeschriebenen Brief mit folgendem Inhalt: «Ich fechte den Vertrag an und erkläre ihn für nichtig, weil er irreführend ist.» Damit sind alle Bedingungen erfüllt, um vor Gericht zu bestehen.

Bislang ist in der Schweiz kein einziger Fall bekannt, bei dem Olaf Tank seine angeblichen Forderungen auf dem Rechtsweg geltend machen wollte. Der Aufwand für die kleinen Summen lohnt sich für ihn wohl nicht. Lieber verstopft er weiter die Briefkästen mit seinen leeren Drohungen.

© Tages-Anzeiger, 02.02.2009

Basler Abofallen: «Ihr Nacktbild wurde freigegeben»

Monday, June 2nd, 2008

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Porno-E-Mails für Abzock-Webseiten führen in die Basler Medienszene und zu deutschen Hintermännern. Dem TA liegen umfangreiche Akten vor.

Von Christian Bütikofer

Für die Firma Happy Passion

wurden im April und Mai Spam-E-Mails mit dem Betreff «Ihr Nacktbild wurde freigegeben» verschickt. Mit diesem Trick lockte man die erschreckten E-Mail-Empfänger auf eine Website. Anstatt dass sie dort ihre angeblichen Nacktbilder löschen konnten, wurde den Leuten ein «Vertrag» für Pornobilder untergejubelt. Kurze Zeit später folgte die Rechnung, in der zur Zahlung von knapp 150 Franken aufgefordert wurde. Mit weiteren «Mahnungen» und «Letzten Mahnungen» versuchte die Firma Druck auf Geneppte auszuüben.

Mehrere deutsche Polizeistellen haben sich über die Happy Passion erkundigt, wie beim Zuger Business Center zu erfahren war, das für die Happy Passion den Briefkasten leerte – inzwischen wurde der Happy Passion dort gekündigt. Die Post wird jetzt wieder nach Frauenfeld weitergeleitet, wo die Firma zwar offiziell schon immer ihren Sitz hatte, jedoch dem Vermieter unbekannt ist. Seit Anfang Jahr verfügen weitere Firmen aus dem Kreis der Happy Passion dort über kein Domizil mehr.

Ärger vom Bund

Ungemach droht nun vom Bund: Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), sonst eher für Zurückhaltung bekannt, schlägt erstmals einen klaren Ton an und warnt in einer Pressemitteilung vor der «Spam-Betrügerei der Happy Passion».

Als Geschäftsführer der Happy Passion zeichnet David «Dave» Joss (31). Er verwahrt sich gegen die Aussage des Seco: «Die Happy Passion bewirbt ihre Produkte und Dienstleistungen nicht selber, hierfür sind externe Werbepartner, so genannte Affiliates, verantwortlich», schreibt Joss dem TA. Es hätte Reklamationen gegenüber einem dieser Werbepartner gegeben und man habe daraufhin den Vertrag mit ihm «fristlos gekündigt». Spam schliesse man vertraglich aus, meint Joss und behauptet: «Sämtliche Empfänger haben dem Empfang von elektronischer Werbung ausdrücklich zugestimmt.» Es hätten weniger als ein Prozentder Happy-Passion-Kunden reklamiert, meint Joss.

Die Happy Passion tut gut daran, nicht in Spamversand verwickelt zu sein, denn seit 2007 ist dies auch in der Schweiz strafbar.

«It’s only porn!»

Eigentlich ist Dave Joss Fotograf beim Gratisanzeiger «Baslerstab». Seine Affinität zur Internetpornoszene stellte er 2007 unter Beweis, als er im Privatsender U1 der Öffentlichkeit als «Betreiber der Plattform PrivateSwiss» vorgestellt wurde. Auf dieser Webseite sollten Privatpersonen ihre selbst gemachten Pornobilder ins Web stellen – Slogan: «It’s only porn!». PrivateSwiss war ein Projekt der Happy Passion. Ein Dokument, das dem TA vorliegt, zeigt, dass die Cupido Entertainment aus Frauenfeld früher massgeblich an der Happy Passion beteiligt war. Die Cupido Entertainment zeichnete für die Webseite PrivateOnly verantwortlich; dabei handelt es sich um die gleiche Geschäftsidee, wie bei PrivateSwiss.

Wenn man in der Abofallenszene recherchiert, landet man früher oder später immer wieder bei Exponenten, die entweder für die Cupido auftraten oder bei ihr arbeiteten; nicht wenige stammen aus Basel. Die jüngste Aktion mit dem Nacktbild-Spam ist bloss die letzte Episode in einer Abzock-Saga epischen Ausmasses, die seit 2006 anhält. In der Vergangenheit sorgten Personen dieses Umfelds durch teure «Umfragen» mit Gewinnversprechen per Telefon für Furore; auch erhielten Internetnutzer Spam für Pseudo-Gratisangebote im Web – mit anschliessendem zahlungspflichtigem «Vertrag».

Erstmals fiel dabei der Ex-Journalist Beat Alder (der sich heute nach dem Namen seiner Frau auch Beat Gomes Rocha nennt) negativ auf, kurz nachdem sein Zeitungsprojekt «Stadt-Zytig» Schiffbruch erlitt und er sich mit Geschäftspartnern verkrachte. Die «Basler Zeitung» wusste damals zu berichten, Alder und sein ehemaliger Redaktor Dave Joss hätten im Zuge dieser Auseinandersetzungen mit unkonventionellen Methoden versucht, Computer aus der «Stadt-Zytig»-Redaktion «zurückzuholen» – die Polizei musste schlichten.

Bewährte alte Seilschaften

Bald darauf begann Alders Karriere als Abofallen-Abzocker: Er verramschte «Gratiskondome», versprach Abhilfe bei Alkoholproblemen, suchte Hobbypornodarsteller oder gab Flirttipps – immer mit der versteckten Kostenpflichtigkeit und Spamversand. Darauf angesprochen, meinte Alder damals gegenüber dem TA, nicht er versende Spam, sondern Affiliate-Werbepartner – die gleiche Argumentation also, wie sie nun Joss bei der Happy Passion vorbringt.

Recherchen zeigen, dass es Geschäftsverbindungen zwischen Alder und Personen aus Deutschland gegeben haben muss, gegen die die Staatsanwaltschaft Göttingen ermittelte und Ende 2007 Hausdurchsuchungen durchführte (TA vom 17. 3. 2008). Die Deutschen – einer von ihnen ist O. S. – stehen im Verdacht, für eine ähnliche Abzocke verantwortlich zu sein, wie sie jetzt die Happy Passion betreibt. Kurz nachdem Alder mit seinen Abofallen auf der Bildfläche erschien, tauchte er auch als Pressesprecher der Cupido auf.

Für die Geschäfte der Cupido in der Schweiz war Benjamin Aebischer besorgt – er war ein alter Bekannter Beat Alders. Beide spielten 1999 in der so genannten Basler Justizaffäre eine Rolle, wo sich Exponenten des Basler Rotlichtmilieus und die Justiz einen erbitterten Kleinkrieg lieferten. Aebischer und Alder waren sich danach geschäftlich verbunden. Auch David Joss, der Happy-Passion-Chef, tauchte in Aebischers Umfeld auf: Für die Kampfshow «Swiss Las Vegas», wo sich die «Crème de la Crème» der Thaiboxszene im Dezember 2007 ein Stelldichein gab, besorgte er die Öffentlichkeitsarbeit. Veranstalter war Benjamin Aebischer. Dieser musste bald danach seinen Geschäftsführerposten bei der Cupido aufgeben.

Dicke Briefumschläge

Dem «Tages-Anzeiger» liegen umfangreiche interne Dokumente vor, die zeigen, dass sowohl Benjamin Aebischer wie auch S. zu den Hintermännern der Happy Passion gehören. Die Einnahmen – an nur einem Tag über 5000 Euro – werden nach einem Schlüssel verteilt, wobei S. mit 30 Prozent und Benjamin Aebischer mit 40 Prozent beteiligt sind. Offenbar besprach man sich letzten Montag in der Schweiz und legte fest, dass sämtliche Abofallen-«Verträge» nun durch die Inkassofirma Euroliquid eingetrieben werden sollen.

In den dem TA vorliegenden Dokumenten ist auch die Rede von «dicken» Umschlägen, die S. in der Schweiz abholt. Ebenfalls mit 30 Prozent an der Happy Passion beteiligt ist Christian Hoffmann, Vorstand des Internetproviders IP69 Internet Solutions. Die IP69 wird seit Jahren regelmässig in Zusammenhang mit Abofallen und E-Mail-Spam in Verbindung gebracht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gegendarstellung (nachträglich bewilligt für die elektronische Fassung):

 

Im Artikel wird behauptet, Benjamin Aebischer sei einer der Hintermänner der Firma Happy Passion und an den Einnahmen der von ihr via Abzock-Webseiten versandten Porno-Emails beteiligt. Dies trifft nicht zu. Benjamin Aebischer ist in keiner Weise mit den beschriebenen Spam-Aktivitäten verbunden und er ist insbesondere weder Gesellschafter der Firma Happy Passion noch in irgendeiner Form an deren Einnahmen beteiligt. Im Artikel wird weiter behauptet, Benjamin Aebischer habe seinen Geschäftsführerposten bei der Cupido Entertainment AG aufgeben müssen. Auch dies ist nicht zutreffend. Benjamin Aebischer hat seine Tätigkeit bei der Cupido Entertainment AG völlig freiwillig beendet und ist selber und in gutem Einvernehmen bei der Cupido Entertainment AG ausgeschieden.

Benjamin Aebischer

Der TA hält an seiner Darstellung fest.

Eine Gegendarstellung erlaubt es dem Betroffenen, nachteilige Behauptungen mit eigenen Gegenbehauptungen zu ergänzen. Die Redaktion ist gesetzlich dazu verpflichtet, sie abzudrucken.

© Tages-Anzeiger; 02.06.2008

Das burschikose Innenleben einer Zuger Webfirma

Tuesday, March 11th, 2008

Eine eng vernetzte deutsche Abzocker-Szene agiert aus der Schweiz heraus im Internet. Dies belegen umfangreiche Akten im Besitz des «Tages-Anzeigers».

Von Christian Bütikofer

Sie posierten im Web vor Porsches, feierten sich mit Zigarre an Partys und machten sich über die Staatsanwaltschaft lustig. Sie hatten allen Grund dazu. Obwohl die Nachwuchsjuristen B.M. und O. S. in Deutschland, Österreich und der Schweiz unzählige Surfer mit vermeintlichen Gratisangeboten im Web abzockten, tanzten sie mit einem Firmen- und Webseitengeflecht der Justiz lange auf der Nase rum.

Doch Ende 2007 war Schluss. Mitte November schlugen die Beamten in Hamburg und Göttingen zu, beschlagnahmten Computer und Finanzunterlagen. In der Regionalpresse wurde die Staatsanwaltschaft zitiert, dass alleine mit dem Fischzug einer Firma 300’000 Euro auf einem Konto in Südhessen landeten, das täglich ins Ausland geleert wurde.

Was die Beamten nicht wussten: Einige Firmen der Verdächtigen sitzen in der Schweiz, so etwa die First Online Services (FOS), die sich mit der Webseite Dein-Fuehrerschein.com auf Pseudo-Gratis-Fahrschultests spezialisierte. Meldete man sich zum «Test» an, ging man einen Vertrag ein, in dessen klein Gedrucktem die Hauptsache steckte: 100 Franken Gebühren.

Philosophie der Grautöne

M. und S. waren für die FOS geschäftlich tätig, dies zeigen dem TA vorliegende Dokumente. Die Ermittlungen aus Deutschland dürften sich bald auf die Schweiz ausweiten; in einem Fall machte die Zuger Polizei bereits einen kurzen Hausbesuch.

Bisher dachten die Justizbeamten und Szenekenner immer, die Abofallenabzocke im Web sei eine Spezialität 20-jähriger Burschen. Für die FOS dürfte das Gegenteil zutreffen: Hinter dieser Firma agierte auch der 65-jährige Industriekaufmann Hero M. Eden aus Hannover, dem es in Luzern gefällt. Er bestreitet nicht, M. und S. zu kennen, meint aber, «diese Gauner» hätten ihn benutzt.

Eden, dessen Philosophie es ist, wie er sagt, dass sich alles zwischen Schwarz und Weiss bewegt, baut auf die guten Dienste von Erika Gasser. Die Multiverwaltungsrätin agierte bei der FOS als Strohfrau. Als die FOS Ende 2006 entstand, tauchte noch am Gründungstag ein Darlehensvertrag auf. Darin übertrug die FOS exakt die Summe ihres Kapitals von 100’000 Franken gleich an die MPS Max Power Swiss.

Dazu meint ein Insider lapidar: «Die FOS war doch nie werthaltig.» Für beide Firmen unterschrieb Erika Gasser; sie vertritt heute Hero M. Eden im Ausland.

Bereits zur Weihnachtszeit verschickt die FOS erste Rechnungen für ihren «Test». Und deren Euro-Konto bei der Luzerner Kantonalbank wird immer praller. Die Summen mussten die Geneppten allerdings ins Ausland überweisen, in die Geldschränke der Volksbank Dreieich in Südhessen.

Laut Dokumenten und Aussagen von Insidern war Hero M. Eden der einzige Zeichnungsberechtigte fürs Schweizer Euro-Konto. Gegenüber dem TA bestreitet er dies, räumt aber ein, «dummerweise einmal etwas unterschrieben zu haben».

Im Verlauf der nächsten Monate trudeln Hunderte Beschwerdebriefe bei der FOS ein. Viele der Beschwerden, die dem TA vorliegen, stammen von Eltern von Minderjährigen und Leuten in schwierigen finanziellen Verhältnissen.

In einem Schreiben steht: «Ich habe gestern eine Rechnung über 69.80 € erhalten. […] Ich lebe nur von einer kleinen Rente […]. Wie ich diese Summe aufbringen kann, ist mir ein Rätsel.» Der Herr bittet um Ratenzahlung – eine Antwort erhielt er nie.

Keiner dieser Briefe wurde je bearbeitet, dem TA liegen sogar noch ungeöffnete Couverts vor. Der FOS wurden überaus sensible Daten zugeschickt: Schuldnerverzeichnisse, Behindertenausweise, Vormundschaftsdokumente. Als man Eden auf die Briefe aufmerksam machte, meinte er laut einem Insider: «Geht mich nichts an, weg damit!» Eden bestreitet dies gegenüber dem TA. Im Gegenteil, erst damals sei ihm klar geworden, dass die FOS unseriös sei.

Post vom getürkten Anwalt

Von der Inkassofirma DIS Deutsche Inkassostelle aber erhielten die «Kunden» umgehend Post. Zum Teil auch dann, als die ergaunerten Summen längst bezahlt wurden, wie weitere Dokumente zeigen.

Die DIS gehört zum Umfeld des bekannten Frankfurter Abzockers Faustus Eberle und der Zuger Europe Holding. Zu ihr zählt auch die Mc Mobile Communication. Deren Vertrag über diverse Informatikdienstleistungen für die FOS waren «mit S. abgesprochen».

Der Rubel rollte, doch M., S. und Eden gerieten sich in die Haare. Anders ist ein kurioses Anwaltsschreiben nicht zu erklären, das dem TA vorliegt. Darin erklärt ein «Rechtsanwalt Dr. Andreas Schuster», er vertrete M. und S. und sei beauftragt, «den Verbleib von Geldern» zu klären, die ihnen zustehen würden.

Weiter ist dem Werk zu entnehmen, man müsse gegen Eden vorgehen. Der Brief ist eine plumpe Fälschung, Rechtsanwalt Schuster und seine Kanzlei existieren nicht, dafür gehörten seine im Brief genannten Fax- und Handynummern M. Die Webseite des getürkten Anwalts lautet auf einen «Peter Valmont». Recherchen des TA lassen darauf schliessen, dass dies neben Schuster ein weiteres Pseudonym von M. ist. S. verzichtete gegenüber dem TA auf eine Stellungnahme, M. meldete sich auf mehrfache Anfragen nicht.

Recherchen zeigen, dass das gleiche Umfeld mit dem ehemaligen Basler «Blick»-Journalisten Beat Alder (der sich heute nach dem Namen seiner Frau auch Beat Gomes Rocha nennt) und seinem Kompagnon Tobias S. in einem Boot sass. Deren Firma Alblanca schusterte ähnliche Webseiten zusammen – vom Flirt bis zum Hobbyporno war alles dabei.

Eine Firma aus dem erweiterten Umfeld dieses Rings fiel diesen März durch Spam für die Webseite «Daenischehobbyhuren » auf. In den E-Mails schreibt die «immer ein wenig spitze» Andrea, sie hätte ihr Hobby zum Beruf gemacht. Klickt man auf den Link, gehts weiter zu einem Puffverzeichnis.

Das wiederum betrieb kurz die Firma Pactus Consulting, nun die Bulltrade. In beiden Unternehmen trifft man auf den ehemals konkursiten Putzladenchef Daniele Sagliocca. Die Pactus benutzt heute für ihre sauberen Geschäfte die gleichen Führerscheintests, wie einst Ms. und S. FOS.

Saglioccas Umfeld stellte für die beiden mit der Naviance Trading eine weitere Firma auf die Beine und zeichnet sich durch Kreativität aus: Die Bulltrade-Aktien mit einem Wert von lediglich 200’000 Franken, wurden als Sacheinlagen gleich mehrfach in weitere Firmen eingebracht, zusammen im Wert von 800’000 Franken.

Das Kapital der Bulltrade basiert auf einem Schuldbrief. Aus diesem Umfeld stammen x weitere Firmenhüllen solcher Qualität.

© Tages-Anzeiger, 11.03.2008

Nepp im Web: «Ermittlungsverfahren läuft seit Monaten»

Monday, October 9th, 2006

Gewinnversprechen und «Gratis»-Angebote im Internet: Der Bund warnt, die Zuger Justiz untersucht.

Von Christian Bütikofer

Immer häufiger fallen Konsumenten auf vermeintliche Gratis- und Probeangebote oder Gewinnversprechen im Internet herein, die sich später als teure Abonnemente entpuppen. Die deutschen Hintermänner dieser Tricks stammen aus dem Raum Frankfurt am Main und sitzen heute mehrheitlich in Zug (TA vom 4. September); von dort beackern sie die Schweiz, Deutschland und Österreich.

Nicht nur das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) warnt nun offiziell vor diesen Geschäften, auch die Zuger Kriminalpolizei nimmt sich auf Grund zahlreicher Beschwerden des Firmengeflechts an. Petra Lehmann vom Dienst für Wirtschaftsdelikte der Kriminalpolizei Zug bestätigte, dass gegen die Firma IFK Holding AG (früher IFK Institut für Konsumforschung AG) seit Monaten ein Ermittlungsverfahren läuft.

Weitere Strafanzeige in Zug

Diese Firma wurde im Juli 2004 vom 26-jährigen Faustus Eberle gegründet. Er ist auch Verwaltungsrat der Europe Holding AG; in Frankfurt existiert ein Firmenzwilling namens Europe Media AG. Mit der Zuger Holding werden in der Schweiz neue Unternehmen gegründet, so auch die Saleshouse AG mit Robert Juric als Verwaltungsrat. Sowohl er wie auch Eberle benutzten die gleiche Zuger Wohnadresse; beide sassen im Frankfurter Firmenzwilling Europe Media.

Eine weitere durch Eberles Zuger Holding gegründete Firma, die Xentria AG, bietet auf der Webseite Sportexperten.com Wetten an. Dort wird behauptet, man sei bloss «Vermittler» der Wetten – Reto Brand vom Bundesamt für Justiz sieht das anders: «Das dürfte gegen das schweizerische Lotteriegesetz verstossen.» Er wird die Strafverfolgungsbehörden informieren.

Ein dem TA vorliegendes Dokument zeigt: Auch in Österreich interessiert sich die Polizei für die Gewinnversprechen-Masche. Dort sorgt zurzeit die Winterthurer Firma Joto Marketing GmbH des 33-jährigen Tobias S. mit Massentelefonaten für Furore – genau die gleiche Aktion zog er dieses Jahr bereits in Deutschland mit seiner Top Tel Telemarketing durch: Zur Anforderung eines «sicheren Gewinns» wird auf eine teure Mehrwertnummer verwiesen. Fordert der Konsument den Gewinn an, wird er lange an der Leitung gehalten und erfährt erst am Ende des Gesprächs einen «Gewinncode». Mit diesem Code kann er dann seinen «sicheren Gewinn» schriftlich anfordern. Wie bei Tobias S. Top Tel in Deutschland, so wurden auch seiner Joto Marketing in Österreich die Mehrwertnummern entzogen. Laut dem Winterthurer «Landboten» stellte die Polizeidirektion München in der Schweiz wegen der Top Tel ein Rechtshilfegesuch.

Tobias S. unterhielt mit einer Eberle-Firma Geschäftsbeziehungen, und wie Eberles, so reicht auch sein Radius bis nach Frankfurt: Dort ist er Geschäftsführer der Merkur Telecomservices GmbH.

Warnbroschüre des Seco: http://www.seco.admin.ch/dokumentation/publikation/00035/00038/02033/index.html?lang=de

© Tages-Anzeiger; 09.10.2006

Anrüchige Spam-E-Mails für Basler Firma

Monday, September 4th, 2006

Die Internetgeschäfte eines ehemaligen «Blick»-Reporters werfen Fragen auf. Der Fall lenkt die Aufmerksamkeit auf einen undurchsichtigen Sektor der Internetwerbeszene.

Von Christian Bütikofer

Haben Sie Alkoholprobleme? Kein Erfolg beim Flirten? Wollen Sie wissen, ob Sie schon einmal gelebt haben – oder sind Sie doch lieber Filmstar in einem Porno? Wochenlang verstopften Spam-E-Mails dieser Art die elektronischen Briefkästen in der Schweiz und Deutschland. Das Schema ist immer gleich: In der Spam-Mail ist ein Link auf eines der Angebote gesetzt, z. B. www.schonmalgelebt.com. Ein Klick darauf, sofort erscheint die entsprechende Webseite – «bekannt aus Funk und Fernsehen».

Um den Dienst zu nutzen, soll nun ein Formular ausgefüllt werden, damit man endlich erfährt, ob man schon mal gelebt hat. Wie in all diesen Angeboten üblich, muss mit einem simplen Klick auf ein Kästchen bestätigt werden, dass man die «Teilnahmebedingungen» gelesen habe. Im klein Gedruckten, weit unter dem Kästchen, versteckt sich dann die Hauptsache: Der Spass kostet knapp 150 Franken.

Firmenpartner: Telefon-Missbrauch

Verantwortlich für diese Angebote ist die Alblanca GmbH aus Basel. Geschäftsführer Beat Alder (der sich heute nach dem Namen seiner Frau auch Beat Gomes Rocha nennt) behauptet: «Wir versenden kein Spam. Wir haben Affiliate-Geschäftspartner, die könnten es gewesen sein.» Er versteht die Aufregung zu seinen Angeboten nicht: «Von 2500 Anmeldungen habe ich etwa 30 echte Reklamationen.» Zum klein Gedruckten meint er: «Wenn ich heute ein Auto lease, muss ich die Bedingungen auch genau anschauen.»

Alder ist ein umtriebiger Journalist. Nach seiner Zeit beim «Blick» war er mit diversen Zeitungsprojekten beschäftigt und gründete Firmen wie die Internet Medien AG, die sich inzwischen in Liquidation befindet. Sein letztes grosses Projekt war Basels «Stadt-Zytig», die er im Streit verliess.

Ein ganz alter Kumpan Alders ist der 33-jährige Tobias S., der nicht erreichbar ist, weil er momentan «irgendwo auf einer Insel sitzt», wie Alder sagt.

Schweizer ist Mitgründer der Alblanca, laut Alder sei er «aber schon wieder draussen». Tobias S. ist auch Geschäftsführer der Top Tel Telemarketing GmbH mit Sitz in Zürich. Diese Firma fiel in der Vergangenheit wiederholt mit Massenanrufen in Deutschland auf, wo den «Kunden» Gewinnversprechen vorgesäuselt wurden.

Mehrmals entzog die deutsche Bundesnetzagentur der Top Tel wegen Rufnummernmissbrauch die dazu verwendeten Mehrwertnummern und verbot das Ausstellen von Rechnungen. Auf Grund diverser Beschwerden kündigte der Bürodienst, der für Top Tel in Zürich das Postfach verwaltete, den Vertrag auf.

Tobias S. spielt auch auf der Klaviatur der «Teilnahmebedingungen»: So führt er sein einschlägiges Können bei www.lebenserwartung.tv – «von US-Forschern getestet» – unter Beweis.

Strafanzeige wegen Internetwetten

Die Aktivitäten der Top Tel führen zum 25-jährigen Faustus Eberle, einem der im deutschen Sprachraum bekanntesten Abzocker dieser Szene. Auch hier verwahrt sich Beat Alder: «Wir haben mit ihm nichts zu tun.» Aus Frankfurt am Main stammend, liess sich der Deutsche Faustus Eberle in Zug nieder. Er zeichnete bis Ende 2005 für die Ad2media GmbH aus München. Sie sorgte mit unseriösen Internetgewinnspielen wie dem Projekt «Starquiz24» für Furore. In der Schweiz gründete Eberle die Swiss Einkaufsgemeinschaft AG. Hinter ihr findet man die gleichen Personen wie in der Ad2media.

Die Swiss Einkaufsgemeinschaft bietet auf der Webseite MioTipp.com unter dem Motto «Gemeinsam zum Fussball-Millionär» Wetten an. Trotz der Behauptung, man sei bloss «Vermittler» der Wetten, dürfte nach Auffassung von Reto Brand vom Bundesamt für Justiz dieses Angebot gegen das schweizerische Lotteriegesetz verstossen – das Amt wird die Strafverfolgungsbehörden einschalten.

Firmengeflecht in Frankfurt und Zug

Mit einer weiteren Eberle-Firma, dem IFPF Institut für Produktforschung, wurden per Telefon Personen angegangen, die «hochwertige» Produkte testen sollten – für 20 Euro pro Monat. Nicht lange, und er sorgte mit dieser Firma für Negativschlagzeilen. Die Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main (IHK) äusserte sich ebenfalls kritisch zur IFPF.

In Deutschland sass Eberle auch für die Europe Media AG im Vorstand. Bald entstand in Zug ein Firmenzwilling; er nennt sich heute Europe Holding AG. Mit ihm gründete Eberle die Xentria AG – ebenfalls in Zug. Sie macht nach dem gleichen Modell Geschäfte wie Beat Alder. Man darf sich für Ferrari-Autofahrten («Testcars – jetzt Autotester werden») oder SMS («125 SMS gratis verschicken») anmelden.

Durch die Europe Holding zeigen sich Geschäftsbeziehungen zur Top Tel von Alders Geschäftspartner Tobias S. Mit der Holding wurden in Deutschland die Firmen Mymovies Online GmbH («DVD gratis – Hol Dir jetzt Deine DVD») und auch das Inkassobüro DIS Deutsche Inkassostelle GmbH gegründet.

Diese Inkassofirma versucht heute für die Top Tel Geld bei Geneppten einzutreiben. Auf die Top Tel lauten noch immer Webseiten, für die sie früher selbst zeichnete, die heute aber offiziell der Xentria gehören.

© Tages-Anzeiger; 04.09.2006