Luzi Stamm wollte malaysischer Haushälterin Kosten nicht vergüten

Erst vor dem Arbeitsgericht konnte SVP-Nationalrat Luzi Stamm dazu gebracht werden, einer Hausangestellten die Auslagen für Essen zu erstatten. Daneben arbeitete sie für seine Eltern 72 Stunden pro Woche – für 3000 Franken.

Ende 2010 verhandelte das Arbeitsgericht Baden einen Fall zwischen einer Haushalthilfe und Nationalrat Luzi Stamm, der seine Mutter rechtlich vertrat.

Die malaysische Haushaltshilfe verlangte vor den Richtern eine Lohnnachzahlung für ihre Tätigkeit im Elternhaus des SVP-Nationalrats Luzi Stamm. Das berichtet der «Beobachter» in seiner neusten Ausgabe.

Luzi Stamm, der seine pflegebedürftigen Eltern vertrat, hatte im März 2008 gebilligt, dass die Arbeits- und Präsenzzeit der Angestellten von 36 auf 72 Stunden pro Woche verdoppelt wurde – ohne den Monatslohn von 3000 Franken zu erhöhen.

Organisationen wie Hauswirtschaft Schweiz oder Haushaltsservice Aargau empfehlen für eine vergleichbare Arbeit Monatslöhne zwischen 3800 und 4200 Franken – für eine normale Arbeitszeit von 42 Stunden, nicht wie hier für 72 Arbeits- und Präsenzstunden am Stück.

Aus Loyalität gegenüber den Eltern Stamm arbeitete die Haushalthilfe zunächst zu diesem Lohn weiter, kündigte aber einige Monate später und klagte dann auf eine Nachzahlung von beinahe 24 000 Franken. Seit 1999 arbeitete sie für das Ehepaar, einen schriftlichen Arbeitsvertrag besass sie bis zuletzt nicht.

Die Mehrheit der fünf Arbeitsrichter wies die Klage ab, da die Angestellte «zumindest stillschweigend» in das neue Arbeitsmodell eingewilligt habe, heisst es im Urteil von Ende 2010. Eine Minderheit des Gerichts ist zur Auffassung gelangt, dass der Klägerin ab März 2008 ein Monatslohn von 4000 Franken zugestanden hätte. Das Urteil liegt az vor.

In einem anderen Punkt hingegen sahen die Richter den Politiker im Unrecht, der früher Präsident des Bezirksgerichts Baden war: Er musste der Haushalthilfe 209.60 Franken erstatten, die diese unter anderem für Essen vorgeschossen hatte.

Luzi Stamm fühlt sich von der ehemaligen Angestellten nicht fair behandelt: Bewiesen sei, so Stamm, dass die Hausangestellte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei seiner hochbetagten Mutter vorbei ging und ihr einen Vertrag zur Unterschrift vorlegte, um einen Anspruch auf Überstunden aus der Vorzeit zu «beweisen».

Seine Mutter sei im Zeitpunkt ihrer Unterschrift schwer dement gewesen und habe keine Ahnung mehr gehabt, was sie unterzeichnete: «Mein Mutter erkannte teilweise nicht einmal mehr ihre Gesprächspartner und war selbstverständlich nicht mehr in der Lage, sich selbst vor Gericht zu wehren.» Das RAV verlangte von der Haushalthilfe einen schriftlichen Vertrag. Stamm selbst liess Lohnausweise der Frau bis im Januar 2009 ebenfalls von seiner dementen Mutter unterschreiben.

Auch die 72 Stunden-Regelung legte Stamm anders aus, als die Klägerin. Sie sei jeweils drei Tage pro Woche im Haushalt seiner Eltern anwesend gewesen und habe dort auch übernachtet. «Drei Tage Präsenzzeit sind etwas ganz Anderes als 72 Stunden Arbeit», sagte Stamm.

Stamms Auseinandersetzung in Baden ist Wasser auf die Mühlen seiner politischen Gegner. Katharina Prelicz-Huber, Zürcher Grünen-Nationlarätin und Präsidentin der Gewerkschaft VPOD: «Das ist typisch. Man schimpft über die Ausländer, schaut bei sich selbst aber nicht so genau hin.» Sie kenne viele solcher Fälle, gerade in Pflegeberufen, wo immer wieder wenig sprachgewandte Ausländerinnen unter prekären Bedingungen arbeiten müssen.

Doch auch bei Parteikollegen sorgt der Fall für Stirnrunzeln. This Jenny, SVP-Ständerat Glarus : «Ich will den konkreten Fall nicht beurteilen. Aber generell würde ich schon sagen, dass man heute nicht einmal einer Putzfrau weniger als 28 Franken in der Stunde zahlen muss.» (cbk)

© az Aargauer Zeitung, 14.09.2011

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