Die Leasing-Pleite von SAR Premium Cars eskaliert. Deren Finanzierungspartner Fidis Finance hetzte Kunden Privatdetektive auf den Hals. Mit seltsamen Methoden fahndeten die Schlapphüte nach Luxusautos, die Fidis abhanden kamen. von Pascal Meier und Christian Bütikofer
Kurz vor Pfingsten bekommt Franziska Müller* Besuch der anderen Art. Als sie zufällig aus dem Fenster aufs Gelände ihres Grundstücks schaut, sieht sie einen wildfremden Mann über ihr Auto gebeugt. Der fotografiert selenruhig die Fahrgestellnummer, die unter der Windschutzscheibe steckt. Als sie ihm aus dem Fenster zuruft, was er da tue, will er sich aus dem Staub machen.
Doch er hat die Rechnung ohne einen geistesgegenwärtigen Handwerker gemacht. Dieser eilt Franziska Müller zu Hilfe und stoppt den Unbekannten noch auf dem Anwesen am Eingangstor.
Es kommt zu einem kurzen Handgemenge, dem Unbekannten fällt eine Pistole aus der Tasche. Doch er kann entkommen, hechtet in einen bereitstehenden Jeep mit getönten Scheiben und braust davon. Wie er sich Zutritt aufs Anwesen verschaffen konnte, ist Franziska Müller nicht klar.
Der Unbekannte hat einen Namen: Maurizio C., Boss der EVO Security Group. Deren Kundenversprechen: «Operative Sicherheitsdienstleistungen» und «absolute Diskretion». Jetzt hat er eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs am Hals.
Chaotische Zustände
Recherchen dieser Zeitung zeigen: EVO handelte im Auftrag der Fidis Finance, der Finanzierungsbank der Fiat-Gruppe. Es scheint, als herrsche in deren Büros am Firmensitz in Schlieren seit Wochen das pure Chaos.
Dutzende Mitarbeiter suchen in der ganzen Schweiz nach Leasing-Fahrzeugen, die Fidis Finance in Zusammenarbeit mit der Aargauer Garage SAR Premium Cars vorfinanziert hatte. Dabei geht es um Millionenbeträge. Denn die Garage in Dintikon war eine der besten Adressen für Oberklasse- und Luxus-Autos. Deren Besitzer Riccardo Santoro konnte jahrelang Ferraris, Maseratis und Benleys zu konkurrenzlos günstigen Konditionen anbieten.
Während immer mehr Personen aus Wirtschaft, Politik und Sport bei Santoros Garage ein- und ausgingen, zerbrach sich die Konkurrenz den Kopf, wie dieses Leasingsystem rentieren kann.
Gerechnet hat es sich offenbar nicht, denn Santoro tauchte Ende Mai plötzlich unter und seine SAR ist offenbar pleite. Nun liegen bei Fidis Finance die Nerven blank. Anders ist es nicht zu erklären, dass weitere Schlapphüte auch einem SAR-Kunden in der Ostschweiz nachstellten.
Dessen Kind entdeckte eines Abends einen Mann, der ums Haus schlich. Der alarmierten Polizei gab er sich als Privatdetektiv zu erkennen. Er sollte für die Fidis prüfen, ob die Zielperson ein bestimmtes Fahrzeug besitze.
Pikant: Unter den Privatdetektiven befindet sich Personal, das bereits selbst mit Konkursen und Betreibungen einschlägige Erfahrungen sammeln konnte.
«Es wird alles mitgenommen!»
Offensichtlich hat Fidis in vielen Fällen keine Ahnung, wo ihre Fahrzeuge sind und welche Verträge mit wem bestehen. Dies zeigte der 25. Mai exemplarisch, als Fidis in einer Nacht-und-Nebel-Aktion 17 Sattelschlepper zu Santoro nach Dintikon schickte und Fahrzeuge bei der SAR im Dutzend abholte.
Männer in Anzügen stiegen aus Limousinen und rannten mit Listen zwischen den Fahrzeugen hin und her. Es herrschte eine aufgeladene Stimmung: «Es wird alles mitgenommen!», brüllte einer über den Platz. Darauf wurden immer mehr Fahrzeuge auf die Sattelschlepper gehoben – darunter auch Autos, bei denen fraglich ist, ob sie Fidis gehörten. «Ein Mann hat herumgeschrien und andere versuchten ihre Fahrzeuge zu blockieren», erinnert sich ein Beteiligter.
Aufgeladen wurde auch der Oldtimer von Peter Christen*. Der Unternehmer hatte ihn von Riccardo Santoro gekauft und über 200’000 Franken bezahlt. Jetzt ist das Fahrzeug weg. «Mir wurde nur gesagt, dass die Fidis kein kleiner Fisch sei und deshalb alles mitgenommen werde», sagte Christen. Vertröstet wurde er mit den Worten, dass später alles zurückgegeben werde, was nicht der Fidis gehöre. «Das war wie im Wilden Westen», meinte Christen.
Das grosse Schweigen
Gegenüber Santoros Kunden markieren Fidis-Verantwortliche den starken Mann. Auf sämtliche Anfragen dieser Zeitung aber zogen es Fidis und ihr langjähriger Manager Kurt Meier vor, nicht zu antworten.
Auch die Fiat-Pressestelle in Turin bleibt stumm wie ein Fisch. Nicht einmal «Kein Kommentar» brachten die Italiener über die Lippen.
Da ist der diskrete Privatermittler Maurizio C. schon deutlich kommunikativer: Nach gefühlten zehn Sekunden Gesprächszeit hängt er einfach das Telefon auf.
*Namen der Redaktion bekannt
© az Aargauer Zeitung, 25.06.2011