Ertönt Musik, klingeln die Kassen

Aus aktuellem Anlass ein älterer Artikel zur CH-Musikszene und dem Urheberrecht, insbesondere die CH-Verwertungsgesellschaften. Die IFPI kommt da erst am Rande vor…

Wie Verwertungsgesellschaften vom Format einer Suisa ticken, ist vielen Leuten unbekannt. Die erhältlichen Zahlen zeigen, um welche Dimensionen es geht – und wer massgeblich profitiert.

Von Christian Bütikofer

Ob wir bei iTunes Lieder kaufen, im Internet Webradios hören, in Klubs abtanzen oder Klingeltöne fürs Handy herunterladen: Unsichtbar mit von der Partie sind immer auch die Verwertungsgesellschaften (VG, siehe eingerückter Teil am Artikelende.) .

Eine dieser VGs ist die Suisa (Suisse Auteurs). Sie ist die bekannteste schweizerische Verwertungsgesellschaft und schon über 80 Jahre alt. Die Musiklobby Suisa ist eine private Genossenschaft mit über 20 000 Mitgliedern. «Sie ist die Selbsthilfeorganisation der Schweizer Komponisten, Autoren und Musikverlage», sagt Suisa-Direktor Andreas Wegelin.

Die Genossenschaft ist auch fürs Image ihrer Mitglieder besorgt. Zwischen 1998 und 2005 gab sie 5,1 Millionen Franken für «Öffentlichkeitsarbeit» – also PR – aus.

Staatlich beaufsichtigte Monopole

Für viele Kunstgattungen gibt es in der Schweiz eine eigene Verwertungsgesellschaft, also eine Lobby für die Schriftsteller oder auch eine für die Filmautoren. Für jede Gattung gibt es nur eine VG – sie besitzt jeweils das Monopol.

Trotzdem können Verwertungsgesellschaften wie die Suisa nicht einfach nach Gutdünken bestimmen, wer wie viel für die Nutzung zahlen muss. So prüft und genehmigt die Eidgenössische Schiedskommission die Tarife, welche die VGs mit den Nutzerverbänden (z. B. dem Verband der Radiostationen oder der Lobbyorganisation der Tonträgerindustrie, IFPI) aushandeln.

Die VGs sind auch dem Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) Rechenschaft schuldig – die IGE überprüft die Geschäftsführung und erteilt den VGs die Bewilligung für ihre Arbeit.

Die Suisa ist ein Schwergewicht unter den VGs, beschäftigt rund 200 Mitarbeiter, die in der aktuellen Bilanz mit beinahe 20 Millionen Personalkosten etwa zwei Drittel des jährlichen Aufwands ausmachen. Ungefähr 20 Prozent der Einnahmen pro Jahr werden für die Verwaltung benötigt – «ein Wert, der sich durchaus im Rahmen des Üblichen befindet», wie Emanuel Meyer vom IGE meint. «Für uns sind 25 Prozent Verwaltungsaufwand und mehr die Alarmgrenze», sagt er. Weiter gibt Emanuel Meyer zu bedenken, dass letztlich die Mitglieder der Suisa jederzeit bestimmen können, wie viel Aufwand gerechtfertigt ist.

Zusätzlich zu den Schweizer Künstlern vertritt die Suisa auch das so genannte Weltrepertoire der Musik. Die Suisa schaut also darauf, dass Madonna zu ihrem Geld kommt, falls ihre Songs hier gespielt werden. Das ist möglich, weil die Suisa mit allen anderen Musik-VGs auf der ganzen Welt Verträge geschlossen hat, die es ihr erlauben, die Rechte dieser VGs in der Schweiz wahrzunehmen – im Gegenzug nehmen die anderen VGs die Interessen der Suisa in ihren Ländern wahr.

Dank diesen Verträgen verwaltete die Suisa im Jahr 2000 etwa 8 Millionen Musikwerke. Von diesen wurden jedoch nur 3,75 Prozent, nämlich etwa 300 000 Werke in Rechnung gestellt – mit anderen Worten: Viele Werke liegen brach, sie werden nicht genutzt.

Schweiz kein Musikexportland

Zwischen 1998 und 2005 leitete die Suisa dank der Vertretung des Weltrepertoires 347 Millionen Franken in andere Länder weiter – der Löwenanteil ging nach Europa und Amerika. Von allen ausländischen Musik-VGs flossen in dieser Zeit nur 117 Millionen in die Schweiz. Einer der Gründe dafür: «Die Schweiz ist kein Musikexportland, es gibt nur wenige international bekannte Künstler», sagt Andreas Wegelin.

Vor allem der Geldaustausch zwischen den USA und der Schweiz ist einseitig: Während im Jahr 2005 aus den USA nur 381 000 Franken zur Suisa flossen, musste sie 9 Millionen überweisen – dieses Verhältnis ist seit Jahren relativ stabil. In Europa wechseln neben England die Nachbarländer Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich die grössten Beträge mit der Suisa aus – auch hier muss die Suisa weit mehr abliefern, als sie erhält.

Wichtiger als das Auslandsgeschäft ist jedoch der Markt in der Schweiz und Liechtenstein. Trotz einem kleinen Heimmarkt muss sich die Suisa nicht hinter ihren weltweiten Schwestergesellschaften verstecken. Seit 1998 beträgt der jährliche Gesamtumsatz durchschnittlich 134 Millionen Franken; damit belegt die Suisa Rang 15 oder 16 aller Musik-VGs – weltweit. Zwischen 1998 und 2005 wurden im Heimmarkt 906 Millionen Franken eingenommen. Schon seit Jahren ist die SRG die wichtigste Zahlerin; seit 2000 steuert sie jährlich 26 Millionen Franken bei.

Gleich danach kommen die Einnahmen aus der Tonträgerproduktion, also dem CD-Verkauf, Onlineverkauf und den Klingeltönen für Handys. Dieses Jahr waren es insgesamt 21 Millionen Franken. Allein die Einnahmen der unscheinbaren Klingeltöne steuerten im Jahr 2005 870 000 Franken bei – eine neue Einnahmequelle, mit der noch vor kurzem niemand rechnete.

«Geissel der Onlinepiraterie»

Zwischen 2002 und 2004 verzeichnete die Suisa einen beträchtlichen Einnahmeneinbruch; betroffen waren vor allem die Vergütungen aus CD-Verkäufen. Im Jahresbericht 2003 führte dies die Suisa auch auf die «Geissel der Onlinepiraterie» zurück. Andreas Wegelin sagt aber auch: «Ich glaube nicht, dass die Ursache für diesen markanten Rückgang nur in den Tauschbörsen zu suchen ist.»

Neben der Piraterie machen der Suisa auch Auseinandersetzungen mit Nutzerverbänden zu schaffen. Im Suisa-Jahresbericht von 1999 wurde geklagt, dass sie «einmal mehr versuchten, die Urheberrechtsvergütungen zu senken». Federführend war dabei die IFPI Schweiz, die Lobby der Tonträgerindustrie. In jenem Konflikt konnte sich die Suisa durchsetzen. Heute sind vor allem die Tarife für Vergütungen im Onlinebereich aktuell; auch hier bestehen laut Andreas Wegelin Differenzen zwischen Suisa und IFPI.

Zweiklassengesellschaft

Seit 2004 veröffentlicht die Suisa einen Verteilschlüssel, wo anonymisiert ersichtlich ist, wer wie viel erhält. Von insgesamt 10 781 Urhebern erhielten im Jahr 2005 7663 nicht mehr als 500 Franken. Nur vier Urheber erhielten Auszahlungen von über 500’000 Franken.

Ähnlich sieht es bei den Verlegern aus. Sie erhielten durchschnittlich mehr, weil ihr Repertoire grösser ist als das eines Urhebers. Auch hier sieht man, dass von 1174 Verlegern 496 nicht mehr als 500 Franken erhielten und 13 Verlage zu den Topverdienern mit Auszahlungen über 500 000 Franken gehören.

Urheber, Inhaber, Verwerter

Jeder Künstler, ob Musiker, Filmer oder Schriftsteller, hat ein Recht auf seinen Song, seinen Film, sein Buch; er hat ein Recht auf sein geistiges Eigentum. Ohne sein Einverständnis darf nichts gedruckt, gespielt oder aufgeführt werden. Er kann das Recht per Vertrag an einen Produzenten oder Verlag abtreten – im Gegenzug erhält er einen Anteil vom Verkaufserlös oder einen regelmässigen Lohn. Der Musikverlag kauft also vom Urheber ein Recht, das Werk zu verwerten und wird dadurch zum Werkinhaber. Die Inhaber wiederum erteilen Nutzern – bei Musik z. B. den Radiostationen oder den Plattenproduzenten -, das Recht, die Werke zu benutzen, also zu senden oder als CD auf den Markt zu bringen.

Da die Radiostationen und Plattenproduzenten die Nutzer dieser Werke sind, müssen sie den Rechteinhabern (Musikverlag, Künstler) für jedes gesendete / auf CD gepresste Lied etwas bezahlen. Die Verwertungsgesellschaften (VGs) übernehmen nun für alle ihre Mitglieder – die Werkurheber und die Werkinhaber -, die Arbeit zu prüfen, welcher Nutzer ihnen wofür wie viel bezahlen muss.

Diese VGs gibts in der Schweiz:

Suisa: zuständig für musikalische, nicht theatralische Werke. www.suisa.ch

Suissimage: zuständig für audiovisuelle Werke (bewegtes Bild: Spiel-, Dokumentar- oder Trickfilme). www.suissimage.ch

Pro Litteris: zuständig für Literatur, Fotografie (stehendes Bild), literarische Werke (z. B. Buch) sowie Werke der bildenden Kunst (Gemälde, Skulpturen). www.prolitteris.ch

SSA – Société Suisse des Auteurs: zuständig für wort- und musikdramatische sowie audiovisuelle Werke. www.ssa.ch

Swissperform: zuständig für verwandte Schutzrechte (so genannte Zweitnutzungsrechte): Wer im Handel eine CD kauft, hat zwar das Recht, sie privat anzuhören. Damit ist aber eine Zweitnutzung wie z. B. das Erstellen einer privaten Kopie auf eine leere CD noch nicht vergütet. www.swissperform.ch (chb)

© Tages-Anzeiger; 18.09.2006

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