Ein KMU kam ins Visier der amerikanischen Geheimdienste. Die Firma verkaufte dem Iran hochwertige Elektronikchips. Die Amerikaner befürchteten ab 2008, die würden in Kriegswaffen verwendet. Von da an wurde es für die Firma ungemütlich. von Christian Bütikofer
Die QuartzCom aus dem solothurnischen Bettlach beschäftigte in den letzten Jahren die amerikanischen Geheimdienste und die Schweizer Diplomaten regelmässig.
Im September 2008 drängte die damalige amerikanische Aussenministerin Condoleezza Rice in einer als geheim klassifizierten Depesche ihre Botschaft in Bern, bei den Schweizer Behörden vorstellig zu werden. Die Amerikaner wussten, dass die malaysische Firma Evertop Services von der Schweizer QuartzCom seit längerem grosse Mengen hochwertiger Quartzoszillatoren bestellte.
Verdacht: Chips für Massenvernichtungswaffen
Die malaysische Evertop ist nach US-Informationen jedoch nur eine Tarnfirma fürs iranische Unternehmen Farezeh Tajhiz Gostar. Iran steht wegen seinen umstrittenen Atom-Projekten seit Jahren auf der Schwarzen Liste der Uno. Für US-Firmen gilt seit den 80er-Jahren ein weitgehendes Exportverbot. Gegen Evertop haben die USA inzwischen Klage erhoben.
Die Firma Farezeh habe in der Vergangenheit über diverse Tarnfirmen wiederholt westliche Technologie beschafft und dann ans iranische Raketen- und Drohnen-Programm weitergeleitet, behaupten die Amerikaner. Dies steht in mehreren Wikileaks-Dokumenten, die «Le Temps» kürzlich veröffentlichte.
Quartzoszillatoren gehören zu den Grundbausteinen unter anderem der Telekommunikation – Handys oder Computer kommen ohne diese Bauteile nicht aus. Die Firma QuartzCom ist eines von mehreren Schweizer Unternehmen, das in dieser Branche geschäftet.
Das Seco schaltet sich ein…
Die Reaktion des Staatssekretariats für Wirschaft Seco blieb nicht aus: die Behörde blockierte einige Tausend dieser Quartzoszillatoren und nahm Untersuchungen auf. Kurz danach doppelten die Amerikaner noch einmal nach: Nun hätten QuartzCom und Evertop über Möglichkeiten beraten, eine andere asiatische Firma als Zwischenhändler einzuschalten. Die Amerikaner vermuteten, die Schweizer wollten die Restriktionen des Seco umgehen.
… und erhält immer mehr Berichte
Ende 2008 dann eine dritte Meldung der Amerikaner: Nun habe ein Unternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten bei QuartzCom Waren bestellt und sie danach in den Iran geliefert. Auch hier sei die Bestimmung wieder das iranische Raketenprogramm gewesen, behaupteten die US-Diplomaten.
Ende 2009 sandte die US-Botschaft in Bern wieder einen Bericht ans Seco. QuartzCom sei nun mit Syrien im Geschäft – auch hier drängten die USA auf einen Lieferstopp, weil damit deren Raketenprogramm unterstützt werde. Anfang 2010 meldeten sich die Amerikaner wieder: die Schweizer hätten mit den Iranern erneut über Wege diskutiert, wie man die Restriktionen über China umgehen könnte.
Jahresumsatz mit Iran: 500’000 Franken
Hans Rudolf Haas von QuartzCom bestätigt gegenüber az, dass er seit Jahren mit den Iranern geschäftete: «Wir haben schon seit jeher IT-Produkte in den Iran geschickt. Und dafür haben wir jeweils die nötigen Bewilligungen vom Seco eingeholt.» Das sei jahrelang kein Problem gewesen. Doch «die Terror-Anschläge 2001 haben alles verändert», sagt Haas. Mit dem Iran habe man pro Jahr einen Umsatz von etwa 500’000 Franken gemacht.
Wie kamen denn die Iraner ausgerechnet auf ihn? «Wir haben seit langem Universitäten Produktmuster gratis zur Verfügung gestellt. Wahrscheinlich erinnerten sich dann die einen oder anderen Spezialisten an uns.»
Haas ist überzeugt, dass seine Quartzoszillatoren nicht für kriegerische Zwecke missbraucht werden könnten. Für Raketen etwa seien sie nicht tauglich, da sie der Hitze nicht standhalten würden.
E-Mails wurden mitgelesen
Eigentlich stehen die Quartzoszillatoren nicht auf der Liste der verbotenen Güter und sind auch nicht vom Waffenembargo der UNO gegen den Iran betroffen. Faktisch jedoch verbot das Seco der Firma die Ausfuhr ihrer Produkte in den Iran.
Um nicht an dubiose Händler zu liefern, fragte Haas jeweils beim Seco nach, ob diese oder jene Firma einschlägig bekannt sei. Obwohl zu Beginn nicht alle Zwischenhändler auf der Schwarzen Liste standen, wurde diese Liste immer länger. Einmal schickte Haas dem Seco dann einen fiktiven Firmennamen. Auch der stand auf der ominösen Schwarzen Liste des Seco. Von da an wusste Haas, dass es einfach darum ging, dem Iran keine solche Technologie zu senden, egal für welche Zwecke sie eingesetzt wurde.
Plötzlich sei auch ein Solothurner Polizist in der Firma aufgetaucht, der sich mit vorgeschobenen Argumenten in der Firma einmal umsah. Da war Haas klar, dass man überwacht werde. Er machte es den Behörden leicht: Die E-Mail-Korrespondenz mit seinen Kunden hatte er nie verschlüsselt geführt, man habe nichts zu verbergen, meinte Haas. So konnten die Amerikaner jeweils ungestört mitlesen.
Der Drohnen-Zwischenfall
Erstaunt war Haas jedoch, dass eine andere Episode offenbar nicht in den Diplomaten-Depeschen auftauchte: Als er einmal vom Seco zum Gespräch nach Bern eingeladen wurde, sprach ihn Seco-Exportkontrollen-Chef Jürgen Boehler darauf an, ob seine Chips auch in Überwachungs-Drohnen verwendet werden könnten. Hans Rudolf Haas meinte, dies sei theoretisch möglich.
Später wurde Haas die Frage klar: Anfang März 2009 erschien als Randnotiz in Schweizer Zeitungen ein kurzer Bericht, dass US-Kampfjets im irakischen Raum eine Drohne aus dem Iran abgeschossen hätten. «Wahrscheinlich analysierten die Amerikaner das Gerät und entdeckten einen unserer Chips darin», vermutet Haas.
Schweiz wichtiger Handelspartner Irans
Auch wenn Haas inzwischen nicht mehr mit dem Iran geschäftet, bleibt die Schweiz offenbar ein wichtiger Handelspartner. So erzählte Haas: «Boehler sagte mir, dass trotz Embargo Schweizer Güter für zwischen 230 bis 250 Millionen Franken pro Jahr in den Iran geliefert werden.»
© az Aargauer Zeitung, 26.05.2011