Zwei Vermögensverwalter haben gegen den Geschäftsführer der Investmentfirma Progress Now Strafanzeige eingereicht. Nun kam es zur Razzia. Peinlich: Hauptaktionär der Investmentfirma ist die Bâloise, sie schaute Millionenverlusten tatenlos zu. von Christian Bütikofer
Bei der thurgauer Beteiligungsfirma Progress Now (ProgressNow! invest AG) gabs am Montag Besuch von der Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität. Die Hausdurchsuchung fand statt, weil gegen Progress Now-Verwaltungsrat Rolf Kälin Strafanzeige wegen ungetreuer Geschäftsführung und Urkundenfälschung eingereicht wurde.
Illustrer Verwaltungsrat
Bei Progress Now sitzt auch Robert Straub als Präsident im Verwaltungsrat. Früher war er Chef der kantonalen Zürcher Finanzverwaltung und für die Beamtenversicherungskasse BVK zuständig. Die Zürcher Pensionskasse hat mit dem Engagement bei Progress Now selbst über 2 Millionen Franken in den Sand gesetzt. Kälin und Straub sind ganz alte Geschäftsfreunde. Sie waren bereits bei der 2004 Konkurs gegangenen Pro KMU Invest mit dabei – auch dort verlor die BVK 15 Millionen Franken.
Die aktuelle Anzeige stammt von den aargauer Vermögensverwaltern Rüetschi Zehnder AG – die Gesellschaft ist Aktionärin der Progress Now. Christoph Zehnder und Lukas Rüetschi werfen den Progress Now-Verantwortlichen vor, ihre wichtigste Beteiligung an der amerikanischen Medizinaltechnikfirma Velico Medical in der Bilanz jahrelang mit über 40 Millionen Franken ausgewiesen zu haben, obwohl Velico Medical faktisch wertlos war.
Velico ist ein Start-Up-Unternehmen im Blutplasma-Bereich, das seit Jahren kein marktfähiges Produkt hervorbrachte. Die finanzielle Lage der Firma ist derart prekär, dass letztes Jahr hypothetische Lizenzeinnahmen eines zukünftigen Produkts an eine weitere Beteiligungsfirma verkauft wurden, um weiteres Kapital zu erhalten.
Die Velico-Bewertung habe es Progress Now-Boss Kälin erlaubt, sich Gelder für kaum erkennbare Beratungstätigkeiten in Millionenhöhe zuzuschanzen und dies trotz mieser Performance der Progress Now-Beteiligungen.
Wie ist das möglich?
«Erfolg ist nicht gratis»
Den Börsengang in den Jahren 2000/2002 (Bern und Zürich) der Progress Now führte die Zürcher Kantonalbank (ZKB) durch. In deren «Anlagestudie» steht: «Erfolg ist nicht gratis». Weil man eine durchschnittliche jährliche Rendite von 15% anstrebe, «wird vom Vermögen (der Progress Now, bzw. dem Wert ihrer Beteiligungen) ein jährliches erfolgsunabhängigesBeratungshonorar von 2% des Net-Asset-Value erhoben.» Diese Klausel ist denn auch einer der zentralen Punkte, die den aargauer Vermögensverwaltern besonders sauer aufstossen.
Die börsenkotierte Progress Now sammelte einst 70 Millionen Franken ein. Heute ist sie nur noch einige Millionen wert.
Schon früher fragwürdiges Investment
Die Firma fiel 2004 erstmals unangenehm auf, als sie sich mit ihrem Investment bei Pendragon Medical gehörig verschätzte. Die Thurgauer besassen 45 Prozent jener Medizintechnik-Firma, die kurz vor dem Börsengang stand.
Doch deren einziges Diabetiker-Produkt genügte den medizinischen Ansprüchen nicht, wurde im letzten Augenblick zurückgerufen. Aufgrund positiver Berichte in der Presse schoss der Börsenkurs der Progress Now raketenartig in die Höhe.
Peinlich ist die Strafanzeige auch für den Versicherungskonzern Bâloise, denn er ist Hauptaktionär der thurgauer Investment-Firma. Seit geraumer Zeit warfen die aargauer Finanzexperten der Versicherungsgesellschaft vor, das Management von Progress Now ohne Not zu unterstützen und trotz katastrophalem Leistungsausweis fraglos alles durchzuwinken.
Bâloise dementiert diese Vorwürfe. Man habe die Investitionen in Progress Now regelmässig überprüft, liess ein Pressesprecher wissen. In der Vergangenheit wehrte sich Bâloise, den Verwaltungsrat auszutauschen.
Grund könnte sein, dass die Versicherung in einer weiteren Kälin-Firma involviert war (ProgressNow! advisers AG), die der Prorgress Now beratend zur Seite stand (siehe Dokument).
Anzeige lag in Frauenfeld fast zwei Jahre lang herum
Rechtsanwalt Bruno Bernasconi hat für Rüetschi und Zehnder die Strafanzeige bereits im August 2009 im Kanton Thurgau eingereicht. Man habe sich wiederholt bei den dortigen Behörden gemeldet, doch passiert sei bis Anfang dieser Woche nichts. Jetzt hofft er auf eine rasche Untersuchung.
Progress Now weist die Anschuldigungen aus dem Aargau vollumfänglich zurück. Man gehe davon aus, dass keine Handlungen oder Unterlassungen vorliegen würden, die den Straftatbestand der ungetreuen Geschäftsführung erfüllten.
© az Aargauer Zeitung 2011; 04.05.2011
Ist die Schweiz eine Finanzbananenrepublik, wo man fast unbehelligt alles machen kann? Finanzdelikte sind keine Kavaliersdelikte! Das aber auch noch Baloise solche Sachen offenbar unterstützt, macht mich sprachlos…