Die Schweiz schützt einen mutmasslichen Kriegsverbrecher

Die Schweiz hat einen ehemaligen General aus Sri Lanka als Diplomaten akkreditiert. Dabei wusste Bern, dass der Armeechef höchst umstritten ist – ihm werden Kriegsverbrechen vorgeworfen. Jetzt fordern Nichtregierungsorganisationen seine Absetzung. von Christian Bütikofer

Mit dem Sieg im Mai 2009 der Armee Sri Lankas über die aufständischen Tamil Tigers (LTTE) im Norden des Landes nahm der 26-jährige bewaffnete Konflikt ein blutiges Ende.

Die meisten LTTE-Generäle wurden getötet, die Tamilen verloren ihren Unabhängigkeitskampf. Für die siegreichen Generäle der Armee aber brachen gute Zeiten an. Dazu gehört auch Nanayakkara Agarage Jagath Chulanaga Dias, kurz Jagath Dias genannt. Er startete eine neue glanzvolle Karriere.

Dias wurde wenige Monate nach Kriegsende im Herbst 2009 nach Europa geschickt und darf sich seither Diplomat nennen.

Heute lebt er in Berlin, ist als stellvertretender Botschafter der sri-lankischen Regierung für Deutschland, die Schweiz und den Vatikan akkreditiert. Mit dem Diplomatenstatus ist er unantastbar.

40’000 Zivilisten starben in wenigen Wochen

Die diplomatische Immunität erhielt er in der Schweiz, obwohl auch für Aussenstehende schnell klar weden musste, dass sich Dias gegen schwerste Vorwürfe verteidigen muss.

Jetzt fordern die Nichtregierungsorganisationen Trial (Genf), ECCHR (Berlin) und die Gesellschaft für bedrohte Völker (Bern), dass die Schweizer Regierung Dias sofort als persona non grata erklärt – er also hier nicht mehr als Diplomat mit den inhärenten Privilegien fungieren kann.

In einem 26 Seiten dicken Dossier trugen die NGOs diverse Vorfälle zusammen, die sie als Kriegsverbrechen taxieren und Dias anlasten.

Denn er war Generalmajor der sri-lankischen Armee zur Zeit der Schlussoffensive gegen die Tamil Tigers, bei der laut einem UNO-Rapport in der Schlussoffensive des Konflikts um die 40’000 Zivilisten ermordet wurden. Dazu gehörten der gezielte Granatenbeschuss von zivilien Schutzzonen sowie Krankenhäusern und religiösen Stätten. Journalisten wurden eingeschüchtert, Kritiker verschwanden in weissen Lieferwagen und wurden nie wieder gesehen.

Auch das UNO-Gebäude und Unterkünfte des Roten Kreuzes bombardierte die sri-lankische Armee, obwohl sie über deren Standort nachweislich ganz genau Bescheid wusste.

Die LTTE machte sich gemäss dem UNO-Rapport ebenso schwerster Verbrechen schuldig. So rekutierten sie etwa Minderjährige als Soldaten, hinderten die Flüchtlinge am Verlassen der Kampfzone, nutzten sie als menschliche Schilde und führten jahrelang Selbstmordattentate durch.

Die meisten LTTE-Verantwortlichen sind tot, wurden in den letzten Tagen erschossen, zum Teil nachdem sie in Gefangenschaft gefoltert wurden. Die Verantwortlichen der Regierungsarmee aber lassen sich als Helden feiern, bekommen Häuser für ihre Taten, geniessen obersten politischen Schutz.

Vorwürfe waren längst bekannt

Gegenüber dem ARD-Nachrichtenmagazin Fakt meinte ECCHR-Jurist Andreas Schilling: «Wenn man Schutzzonen einrichtet für Zivilisten, wo man die Zivilbevölkerung explizit auffordert, dorthin zu gehen, weil sie dort sicher sind, und dann diese Zonen unter Beschuss nimmt, dann ist das einer der schlimmsten Tatbestände, den man im humanitären Völkerrecht erfüllen kann.»

Beim Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) wusste man seit längerer Zeit von den Vorwürfen – passiert ist bisher nichts.

Den NGOs beschied man, zuerst wolle man einen unabhängigen Report der UNO abwarten.

EDA behält sich Schritte vor

EDA-Pressesprecher Georg Farago sagte gegenüber az: «Die Schweiz kennt die Vorwürfe gegen ein Mitglied der diplomatischen Vertretung Sri Lankas bei der Schweiz, die sich in Berlin befindet. Die Schweiz prüft gegenwärtig die Situation und behält sich allfällige Schritte vor.» Weiter meinte Farago: «Die Schweiz hatte die srilankischen Behörden konsequent dazu aufgerufen, ihre Verantwortung wahrzunehmen und Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte zu untersuchen und die Täter vor Gericht zu stellen.»

Der UNO-Report ist seit Ende März erstellt. Im Bericht werden auf 214 Seiten verschiedene Kriegsverbrechen der Regierungstruppen und der Tamil Tigers detailliert festgehalten. In Sri Lanka führte er zu empörten Voten der Regierung.

Der Bürgerkrieg in Sri Lanka gehörte zu einem der blutigsten Konflikte der Welt. Dabei wurden auch extralegale Hinrichtungen durchgeführt. Solche Exekutionen durch die sri-lankische Armee wurden durch Videoaufnahmen dokumentiert und von der australischen Presse veröffentlicht.

EDA-Pressesprecher Farago bestätigte, dass man den Bericht der UNO-Expertengruppe zur Verantwortlichkeit («accountability») der Konfliktparteien im Nachgang des bewaffneten Konflikts in Sri Lanka von 2009 begrüsse. Er solle als Grundlage für eine unabhängige Aufarbeitung der Geschehnisse dienen.

Auch in der Schweiz aktiv

Klar ist, dass Jagath Dias mehrere Male in der Schweiz weilte und laut Informationen der az Kontakt zu Medienvertretern suchte. Ihm soll es darum gegangen sein, einen neu gegründeten Verein der tamilischen Diaspora in der Schweiz zu «beobachten» und ihn hier bei der Presse unmöglich zu machen.

Wie durch einen Zufall erschienen wenig später in grossen Schweizer Tageszeitungen Berichte über einen «dubiosen» Verein, in dem angeblich terroristisch vernetzte Tamilen das Sagen hätten.

Auf eine Anfrage reagierte die sri-lankische Botschaft in Deutschland bis zum Publikationsdatum nicht.

© az Aargauer Zeitung 2011; 03.05.2011

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