Die kalifornische Bank of America befürchtet Wikileaks-Enthüllungen. Auch ohne Julian Assange sorgte das Institut für Schlagzeilen: Die Amerikaner gründeten ein Institut, das für den grössten Bankenskandal der Geschichte verantwortlich war. von Christian Bütikofer
Die Ankündigung von Wikileaks, interne Dokumente einer US-Bank zu veröffentlichen, sorgt in der Finanzwelt für Hektik. Als wahrscheinlichstes Ziel gilt die Bank of America. Das Institut hat extra ein Team von bis zu 20 Leuten zusammengestellt, das Informationslecks aufspüren soll.
Beim Stochern in der Vergangenheit der Nummer eins der Branche in den USA stossen die internen Detektive nicht nur auf die peinliche Übernahme der Investmentbanker von Merrill Lynch – diese Episode kostete den Steuerzahler 45 Milliarden Dollar. Die PR- und Nachforschungs-Abteilung wird auch erneut mit der Tatsache konfrontiert werden, dass die Bank of America am Anfang des grössten Bankenskandals des letzten Jahrhunderts stand.
Gesucht: Reputierter Partner aus dem Westen
Pakistan, September 1972: Banker Agha Hasan Abedi ist so richtig zum Feiern zumute. Endlich ist er am Ziel. Während Monaten versuchte er Scheich Zayid bin Sultan Al Nahyan von seinem Vorhaben zu überzeugen: Die Gründung einer international tätigen Bank, die ihre Kundschaft vorwiegend aus Drittwelt-und Schwellenländern aquiriert.
Der Emir von Abu Dhabi und Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate Zayid bin Sultan Al Nahyan gab sein gnädiges Einverständnis zur Gründung der Bank of Credit and Commerce International (BCCI) und sponserte dem Pakistaner Agha Hasan Abedi einen beträchtlichen Batzen fürs Grundkapital.
Jetzt brauchten Abedi und seine Mitstreiter mit ihrem Fokus auf Entwicklungsländer noch einen reputierten Partner in den wichtigsten Finanzmärkten der Welt.
In Kalifornien wurden sie fündig.
Während der gleichen Zeit, als er in den Vereinigten Arabischen Emiraten die Gunst des Staatsoberhaupts gewann, umwarb Abedi die Führungsriege der Bank of America.
Für Petro-Milliarden war jeder Partner recht
Für die Amerikaner war Abedis Scharwenzeln ein Glücksfall. Beide Seiten fühlten sich einer ähnlichen Kultur angehörig. Denn die Bank of America wurde von A. P. Giannini Anfang das 20. Jahrhunderts gegründet und war kulturell lange Zeit vor allem italienischen Emigranten verpflichtet.
Ganz ähnlich sah das Geschäft der BCCI aus: Fürs Wachstum sollten vor allem pakistanische und muslimische Emigranten auf der ganzen Welt sorgen.
Abedi und die Bank of America hatten komplementäre Bedürfnisse. Die Bank of America wollte endlich im Mittleren Osten Fuss fassen. Ihre Rivalen wie Chase Manhattan oder Citibank waren dort schon seit den 50er-Jahren vertreten. Obwohl die Bank of America damals das weltgrösste Finanzinstitut war, den Mittleren Osten hatte es verpasst. Im vorhersehbaren Öl-Boom ein grosses Versäumnis.
Die Bank of America-Bosse wollten derart verzweifelt im Mittleren Osten Fuss fassen, dass sie Abedi erlaubten, die volle operative Führung der BCCI zu übernehmen und sogar deren Briefkopf zu benutzen. Die Amerikaner stellten 25 Prozent des BCCI-Eigenkapitals und waren damit neben Scheich Zayid bin Sultan Al Nahyan BCCIs grösster Investor.
Kritik mit Rassismus-Vorwurf quittiert
Sofort machte sich die BCCI weltweit ans Filialengründen – das Wachstum der Bank verlief rasant. In Oman spannte die Bank of America mit der BCCI an einem Joint-Venture zur Neugründung der National Bank of Oman zusammen, die von den über 150 BCCI-Einheiten eine der grössten Ableger wurde.
In Europa mauserte sich die Schweizer Banque de Commerce et de Placements SA zu einer der wichtigsten Filialen. Sie ging 1976 aus einem weiteren Joint-Venture mit der Vorgängerin der heutigen UBS hervor.
Das extrem schnelle Wachstum von BCCI sorgte schon bald für Sorgenfalten auf den Stirnen verschiedener Finanzexperten. Wenn ein Supermarkt mehr Waren verkauft, dann ist das ein gutes Zeichen. Wenn aber eine Bank schnell wächst, dann heisst das, dass sie immer mehr Geld verleiht. Und jeder Kredit ist eine potentielle Zeitbombe: Wird der Kredit zeitnah zurückgezahlt oder geht der Schuldner pleite?
Bei BCCI wurde die Qualität ihres Kreditportfolios angezweifelt, weil die Bank vor allem in Ländern Geld verlieh, wo moderne Banking-Konzepte ein Fremdwort waren. Kritik wurde von den BCCI-Bankern gerne mit dem Vorwurf des versteckten Rassismus quittiert.
Millionenkredite an Insider vergeben
Finanzprüfer stellten schon bald fest, dass viele grosse BCCI-Kredite konzentriert an wenige Kreditoren gingen. Zudem wurden Millionenbeträge an Insider der Bank verliehen und die internen Kontrollmechanismen waren überaus lasch. Als Bank of America-Buchprüfer einmal in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Filiale besuchen wollten, stellten sie vor Ort fest, dass sie gar nicht existierte.
Doch trotz allen Warnzeichen blieb Bank of America ihrem Türöffner für Investments im Nahen Osten treu. Sie versuchte sich gegen aussen zwar seit 1976 ein wenig von BCCI zu distanzieren. Doch bis Mitte 1980 war sie offiziell an der Pakistani-Bank beteiligt.
Die Beziehungen mit BCCI blieben aber auch danach eng: In der Oman-Filiale waren die Kalifornier nach wie vor beteiligt und in den USA blieben sie eine der wichtigsten Korrespondenz-Banken von BCCI – personelle Verflechtungen bestanden ohnehin weiter.
Hausbank des pakistanischen Diktators
Das Finanzinstitut aus Pakistan war politisch bestens vernetzt, wovon sich die Bank of America grossen Nutzen versprach. Als der legitime Präsident Pakistans Zulfikar Ali Bhutto durch Armee-Chef Mohammed Zia ul-Haq gestürzt und später dank fadenscheiniger Begründungen hingerichtet wurde, biederte sich der starke Mann der BCCI Agha Hasan Abedi beim Diktator an.
Durch Millionenkredite half er mit der BCCI dem Diktatoren-Regime aus der wirtschaftlichen Patsche. Mit der Zeit wurde Abedi wie der private Berater von Pakistans Diktator ul-Haq.
Geheimdienstbeamte als Angestellte
Die BCCI stellte mit Vorliebe hohe Beamte aus Sicherheits- und Militärdiensten ein. Und auch die Bank of America zeigte, wie verbunden sie mit der BCCI und ihrem Gründer Abedi war: Der Sohn des Diktator-Generals Ijaz Zia-ul-Haq wurde 1978 von den Amerikanern eingestellt. Später bekleidete er den Vizepräsidenten-Posten der Bank of America-Repräsentanz in Bahrein.
BCCI-Chef Abedi war die Bank of America-Connection nicht genug. Er wollte politischen Einfluss und versuchte seit 1977, eine US-Bank in Washington DC durch Strohmänner unter seine Kontrolle zu bringen – diese Operation war illegal, aber erfolgreich.
Mitte der 80er-Jahre zogen die Pakistaner einen weiteren illustren Investoren an Land: Chalid bin Mahfuz, dessen Familie die grösste Bank Saudi Arabiens gründete. Er war auch der Banker der saudischen Königsfamilie.
Anfang 1991 brach das BCCI-Kartenhaus in sich zusammen. Das Management liess über Jahre Bilanzen fälschen, schlechte Risiken auf karibischen Steuerparadiesen verstecken, profitable Abteilungen aushöhlen. Kritiker wurden mit dem Tod bedroht und man schnüffelte ihnen nach.
Drogenhändler, Waffenschieber, Atomschmuggler
Während des BCCI-Skandals zeigten Ermittlungen, dass BCCI bereits Mitte der 80er-Jahre aktiv in Geldwäsche, Bestechung, Waffenhandel und den Verkauf von Nukleartechnologie verwickelt war.
Terror-Zellen wurden ebenso unterstützt, wie das Geldinstitut auch vom amerikanischen Geheimdienst CIA benutzt wurde. Unter anderem nutzte der ehemalige panamaische Diktator und Ex-CIA-Agent Manuel Noriega die Bank, um Drogengelder des kolumbianischen Medellín-Kartells zu waschen.
13 Milliarden lösten sich in Luft auf
Nach dem Zusammenbruch des Instituts stellten die Ermittler fest, dass die Bank wertlos war und mehr als 13 Mrd. US-Dollar spurlos verschwunden waren.
Später klagte ein US-Staatsanwalt Chalid bin Mahfuz an, beim Zusammenbruch der BCCI Millionen Dollar zum Schaden der Gläubiger illegal herausgezogen zu haben.
Die Affäre wurde mit einer Strafzahlung von 225 Millionen Dollar begraben. Aber die Untersuchung zeigte, dass führende Saudi-Familien intime Kenner der betrügerischen Praktiken BCCIs waren.
Ein Saudi mit illustren Kontakten
Chalid bin Mahfuz, der gerne mit einem Rossschwanz umherlief und eine Vorliebe für schnelle Autos hatte, geriet später auch im Zusammenhang durch die Aktionen der Terror-Organisation al-Qaida in die Schlagzeilen.
In seinem Umfeld verwiesen nicht nur diverse Links zur Familie Bin Laden und ihrer Genfer Firma Saudi Investment SICO SA. Sondern sein Umfeld bewegte sich auch in den Firmensphären des Terroristen Osama Bin Laden. Zeitlebens bestritt Mahfuz, mit ihm verbunden gewesen zu sein.
© az Aargauer Zeitung, 06.01.2011