Alcatel Basel: 700’000 Dollar für den Parfüm-Experten

Alcatel zahlt 137 Millionen Dollar, um eine Betrugsklage in den USA abzuwenden. Die Akten zeigen: Alcatel Basel stellte einen Parfüm-Distributor an, um das Informatik-Haus zu «beraten».

von Christian Bütikofer

Alcatel hatte in Lateinamerika und Asien Millionen an Schmiergeldern bezahlt, um an Aufträge zu kommen. Dies teilte die US-Börsenaufsicht SEC und das Justizministerium am Montag mit.

Der Telefonanbieter Alcatel-Lucent zahlt darum lieber mehr als 137 Millionen Dollar, als ein Betrugsverfahren zu riskieren. Heisst: 92 Millionen Dollar Strafzahlung und 45 Millionen, um Zivilverfahren abzuwenden.

Das Unternehmen gab zu, mindestens 48 Millionen Dollar durch Bestechung eingestrichen zu haben. Die Korruptionsfälle fanden statt, bevor Alcatel mit Lucent 2006 fusionierte.

Der Konzern zog unzählige Aufträge mit hunderten von Consultants an Land – ein System, das Korruption geradezu anzog. Die Firma gab zu, in Taiwan, Malaysia, Costa Rica und Honduras Bestechungsgelder bezahlt zu haben.

Die Basler Alcatel Standard setzte für Schwesterfirmen praktisch alle Verträge mit den weltweit tätigen Alcatel-Vertretern und Consultants auf, steht in den Gerichtsakten, die dieser Zeitung vorliegen. Alcatel Standard heisst seit 2007 Alcatel-Lucent Trade International, der Sitz blieb in Basel.

700’000 Dollar für Nullberatung

Die Akten zeigen Erstaunliches, etwa im Fall Honduras. So heuerte die Alcatel Standard einen ganz speziellen Berater an. Seine Qualifikation: Parfüm- und Kosmetik-Distribution, ohne irgend welche Telekommunikations-Erfahrung.

Die IT-Firma bezahlte ihn für seine Experten-Meinung und andere nebulösen Dienstleistungen. Der Parfüm-Experte kassierte zwischen drei und fünf Prozent für Verträge, die Alcatel an Land zog. Zwischen September 2004 und Juni 2006 zahlte das Unternehmen dem Honduraner über 700’000 Dollar.

Enthüllungen hatten keine Konsequenzen

Die Presse in Costa Rica deckte im Oktober 2004 diese Schmierengeschäfte bei den Vertragsvergaben auf, denn auch dort öffnete die Firma ihren Geldbeutel nach Kräften.

Doch was passierte bei Alcatel? Business as usual: Der Vertrag des Honduraner Püderchen-Experten mit den guten Beziehungen wurde nicht etwa aufgelöst. Im Gegenteil, die Geschäfte dauerten bis Juni 2006 an.

Europa-Reisli für die VIPs

Daneben zahlte Alcatel dem Geschäftsführer der Telekomfirma Hondutel ein Europa-Reisli – auch die Frau durfte mit. Später zog seine Tochter durch die Städte des alten Kontinents – wieder dank Alcatel.

Auch ein Anwalt von Hondutel kam nicht zu kurz: Er und seine Tochter wurden per Privatchauffeur durch Paris kutschiert.

Fürs grosse Geld nach Costa Rica

Von Dezember 2001 bis Oktober 2004 zahlten die Alcatel-Vertreter in Costa Rica mindestens sieben Millionen Dollar Bestechungsgelder, um drei Telefonservice-Verträge im Wert von 303 Millionen Dollar ins Trockene zu schaukeln.

Dazu bestach Alcatel die Beamten des Instituto Costaricense de Electricidad (ICE), die IT-Regulierungsbehörde des Landes. Alle Führungsmitglieder des ICE wurden vom Präsidenten persönlich und dem Regierungskabinett bestellt.

Verträge wurden blind unterzeichnet

Wieder winkte Alcatel Standard die Beraterverträge durch. Deren Mitarbeiter, die die spanischen Verträge hätten überprüfen müssen, verstanden zum Teil kein einziges Wort Spanisch.

Später musste Costa Ricas Präsident José Maria Figueres zugeben, er habe über 900’000 Dollar von Alcatel erhalten – für Consulting-Dienste.

Von Staatspräsidenten zum WEF-Direktor

Ein Skandal auf höchster Ebene bahnte sich an. Denn aufgrund seines bestimmenden Einflusses auf ICE lag der Verdacht nahe, auch beim Honorar Figueres’ handelte es sich um Bestechungsgelder.

Durch seinen Anwalt liess er ausrichten, die Gelder seien legal und nach seinem Präsidenten-Amt geflossen. 2004 wurde er mit einem Direktoren-Posten beim Schweizer World Economic Forum (WEF) belohnt.

Nicht die erste Alcatel-Affäre

Alcatel sorgte auch früher schon für Negativschlagzeilen. So musste sich deren französischer Verwaltungsratspräsident Pierre Suard 1997 vor Gericht verantworten. Er war verantwortlich, dass während der 90er-Jahre die damals noch staatliche France-Telecom mit überzogenen Rechnungen massiv übers Ohr gehauen wurde.

Zu den aktuellen Fällen streute ein Firmensprecher Asche auf sein Haupt: das Unternehmen bedaure die Vorkommnisse und trage die Konsequenzen. Alcatel-Lucent sei unterdessen eine völlig andere Firma geworden, die  gegenüber Bestechung eine Nulltoleranz-Politik verfolge.

© Aargauer Zeitung, 30.12.2010

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