Schlimmer Verdacht: Über 1000 Opfer, 50 Millionen Euro Schaden, Briefkästen in der Schweiz

Unglaubliche Renditen bei Investments in Rapsöl-betriebene Heizkraftwerke versprachen deutsche Geschäftsleute tausenden Kunden. Nun gabs Besuch der Kriminalpolizei. DerVerdacht: bandenmässiger Betrug im grossen Stil. von Christian Bütikofer

Im September feierte die Gesellschaft zur Förderung erneuerbarer Energien (GFE) aus Nürnberg noch in einer grossen Show mit Feuerschlucker, sexy Wassernixe und Trapezkünstler ihre fantastische Innovation: Rapsöl-betriebene Block-Heizkraftwerke.

Diese kompakten Anlagen, die man auch im Hinterhof aufstellen könne, sollten Strom erzeugen und dabei auch die Abwärme nutzen. Die Käufer hätten die Anlagen an die GFE rückvermieten und obendrauf den Strom verkaufen können. Obendrein tue man der Umwelt etwas Gutes, handle es sich doch bei Rapsöl um eine erneuerbare Energie.

Unzählige Vertriebler rechneten Interessenten vor, aus einem Einsatz von 40’000 Euro innerhalb von 20 Jahren 240’000Euro zu machen – eine beispiellose Rendite, natürlich ohne jedes Risiko.

28 Häuser durchsucht, 8 Personen festgenommen

Beispiellos war auch die Polizeiaktion diesen Dezember. 28 Häuser in Bayern und Baden-Württemberg liess die Staatsanwaltschaft durch über 150 Polizeibeamte durchsuchen. Die Führungsriege wurde sogleich festgesetzt, gegen 17 Personen wird ermittelt. Der Verdacht: bandenmässiger und gewerbsmässiger Betrug.

Wenig später wurde ein weiterer Hintermann in einem Luxushotel in Österreich festgenommen – er verbrachte dort gerade seine Skiferien. Nicht lange und auch in der Schweizklickten bei einer Person die Handschellen. Sie wurde verhaftet und sogleich nach Deutschland ausgeliefert, bestätigte Wolfgang Träg von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth der «az Aargauer Zeitung».

«Potemkinsche Dörfer»

Die Staatsanwaltschaft spricht von «potemkinschen Dörfern», die die GFE erstellt habe: Von Anfang an seien nur gerade so viele Kraftwerke in Betrieb genommen worden, die nötig waren, um einen Geschäftsbetrieb vorzutäuschen. Darüber hinaus seien die angegebenen Leistungswerte der Kraftwerke falsch – deren Effizienz sei viel geringer, als von der GFE behauptet.

Die Staatsanwaltschaft schreibt dazu: «Es besteht derVerdacht, dass die von der Unternehmensgruppe vertriebenen Modelle weder unter technischen noch unter betriebswirtschaftlichen Aspekten realisierbar sind.» Und weiter: «Die von den Anlegern eingesammelten Gelder sollen die Beschuldigten überwiegend nicht zur Herstellung von Heizkraftwerken, sondern für eigene Zwecke und für Zwecke Dritter verbraucht haben.»

Auch Schweizer-Investoren betroffen

«Seit Januar 2010 sind über tausend Anleger auf dieses Rapsöl-Geschäftsmodell eingestiegen», berichtet Wolfgang Träg. Dabei befinden sich neben Deutschen auch Schweizer und Österreicher. Und noch immer meldeten sich neue Geschädigte, sagte Träg.

Der Schaden bewegt sich im mittleren zweistelligen Millionenbereich, meinte Wolfgang Träg gegenüber der «az Aargauer Zeitung». Aus ermittlungstaktischen Gründen wollte er nicht ausführen, ob in der Schweiz weitere Ermittlungen laufen.

«Keine unbeschriebenen Blätter»

Grund dazu hätten die Kripo wohl, denn Mitte 2010 wurde das GFE-Umfeld auch hier tätig. So gründeten die GFE-ler Horst Kirsten, Karlheinz Zumkeller und Claus-Jürgen Maier die FI Holding AG und siedelten sie an der Bahnhofstrasse in Herisau im Kanton Appenzell-Ausserrhoden an. Nicht lange und die GFE Energy AG wurde kreiert. Beide gehören zum Firmengeflecht der GFE in Deutschland.

Einige Beschuldigte seien in der Branche der erneuerbaren Energien keine unbeschriebenen Blätter, sagte Wolfgang Träg gegenüber dieser Zeitung. Einige lebten offenbar auf grossem Fuss, fuhren Bentley, Maserati oder Ferrari – gerne auch mit Schweizer Autonummer.

Pleitiers im Gründungsfieber

Ungeahnten Aktivismus legte Claus-Jürgen Maier an den Tag. So fungiert er etwa auch in der Suisse Vermögensverwaltung oder der Swiss Topinvest als Statthalter in der Schweiz, denn Schweizer Unternehmen müssen über eine Person verfügen, die hier ihren Wohnsitz hat. Weitere Firmen aus Maiers Umfeld wurden in der Ostschweiz parkiert.

Maiers Vermögensverwaltungs-Vorhaben erstaunen, denn 2008 war er pleite, gegen ihn wurde die Insolvenz eröffnet. Auch Karlheinz Zumkeller verfügt über einen wenig vertrauenserweckenden Hintergrund im Ingenieurwesen. Er war Maurermeister, ging 2000 mit seiner Firma pleite und ein Insolvenzverfahren gegen ihn wurde 2009 eingestellt – bei ihm gabs für die Gläubiger nichts mehr zu holen.

Erfinder aus der Esoterik-Szene

Zum Erfinder-Team des Rapsöl-Heizkraftwerks gehören laut dem Finanzdienst Gomopa ein Automechaniker und seine Frau, eine Heilpraktikerin. Beide wurden in Deutschland bekannt, als sie den «Zentralrat Souveräner Bürger» gründeten, der rechte Ideen mit Esoterik mischt.

Dessen Mitglieder sprechen etwa der Bundesrepublik das Recht auf Steuern ab und behaupten: «Von jeher wurde das Deutsche Volk unterdrückt, gejagt und verunglimpft aufgrund seiner Gesinnung nach Frieden, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Wahrhaftigkeit, Ehrenhaftigkeit,  Respekt und Liebe zur Schöpfung, und Loyalität gegenüber anderen Völkern.»

GFE bestreitet alle Vorwürfe

Die GFE-Gruppe bestreitet auf ihrer Website sämtliche Vorwürfe: «Wir weisen darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft lediglich Ermittlungen durchführt. Es gibt keine Anklage, die gegen die GFE Group erhoben worden wäre. Eine Chance zur Akteneinsicht haben wir bisher nicht erhalten. […] Den über die Medien verbreiteten Vorwurf der betrügerischen Absicht gegen Personen aus unserem Hause weist die GFE Group jedoch aufs Schärfste zurück! Es hat hier keine Vorspiegelung eines Geschäftsbetriebes gegeben. […] Die Produktion läuft weiter. Wir werden alles in unserer Macht stehende dafür tun, auch unter diesen erschwerten Bedingungen unsere Verpflichtungen zu erfüllen.»

Für eine Stellungnahme nahm bei den Schweizer Ablegern niemand Anrufe entgegen.

© az Aargauer Zeitung 2010

One Response to “Schlimmer Verdacht: Über 1000 Opfer, 50 Millionen Euro Schaden, Briefkästen in der Schweiz”

  1. Hansueli Salinger says:

    Ich habe die Firma soeben entdeckt, weil die Gläubiger von der hoch ehrbaren Kanzlei Fischer & Partner vertreten werden.

    Schönen Gruss
    H.S.

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