100 Franken in zwei Sekunden

Michel K. macht gerne «spontane Sachen». Seine Abzocktour in der Schweiz aber dürfte eher planmässig orchestriert worden sein. Der 21-jährige gründete Ende 2009 die ZFI GmbH in Cham. Im März meldeten sich in Konsumentenforen diverse Personen mit seltsamen Telefonrechnungen: Innerhalb weniger Sekunden wurden ihnen fast 100 Franken für die Mehrwertnummer 0901 900 880 verrechnet.

Viele Leute berichteten, diese Nummer nie gewählt zu haben. Und mehrere gaben an, zu diesem Zeitpunkt nicht einmal zu Hause gewesen zu sein. Die Nummer sei von einem «Lebensberatungs-Institut» benutzt worden, berichtete der «Kassensturz». Es war die ZFI.

Swisscom: Computer gehackt?

Den Schaden durch K. «Lebensberatung» der besonderen Art hatte die Swisscom. Pressesprecher Olaf Schulz bestätigt gegenüber der «az Aargauer Zeitung», dass davon rund hundert Kunden betroffen waren.

Swisscom veranlasste sofort die Sperrung sämtlicher Zahlungen an ZFI, sperrte die Nummer und schrieb allen Geschädigten den Betrag gut.

Wie war das überhaupt möglich, per Anruf sofort abzukassieren? Swisscom-Sprecher Olaf Schulze meint: «Mit grosser Wahrscheinlichkeit wurden die Anrufe mit missbräuchlicher Absicht auf der Infrastruktur von Swisscom oder von Dritten aus einer Swisscom-Zentrale heraus getätigt.»

Mit anderen Worten vermutet Swisscom: Entweder hatte Ks. Umfeld Hilfe von innen oder aber seine Entourage missbrauchte die Infrastruktur Swisscoms, etwa mit Hacker-Methoden. In jedem Fall dürfte die Aktion ein rechtliches Nachspiel haben. Dazu wollte sich Schulze aber nicht äussern.

Polizei Liechtenstein schlägt Alarm

Nach der Nummern-Episode folgt jetzt Jungunternehmer K.s nächster Streich: Er mischt im klassischen Adressbuchschwindel mit. Seit mehreren Monaten verschickt er in Liechtenstein an Unternehmen Formulare mit der Aufschrift «Zentraler Firmenindex Fürstentum Liechtenstein» und den Landesfarben vom Ländle.

Wer auf den Trick hereinfällt und meint, das Formular komme vom offiziellen Handelsregister, ist knapp 380 Franken los. Die Landespolizei Liechtenstein warnt inzwischen offiziell vor Ks. Bauernfängerei.

Für die Masche benutzt er die Website Zefix.li, deren Name täuschend ähnlich ist, wie die zentrale Webseite aller Schweizerischen Handelsregister Zefix.ch.

Die Liechtensteiner-Website half ihm J. F. aufzusetzen. Auch praktisch alle dort herunterladbaren Formulare des Pseudo-Handelsregisters verfasste er.

Spuren in Facebook gelöscht

Als ihn diese Zeitung darauf ansprach, meinte F.: «Das ist ja der Hammer!» Für ihn ist das alles ein grosses Missverständnis. Er sei nicht für diese Firma verantwortlich sondern habe nur die Webseite für K. erstellt. Er habe mit dieser Tätigkeit nichts zu tun. «Das passt mir nicht», meinte er gegenüber der «az Aargauer Zeitung», dass sein Name mit diesem Geschäftsmodell in Verbindung gebracht werde.

Kurz nachdem die AZ F. kontaktierte, löschte er in Facebook die Verbindung zu Kollege K. Denn Recherchen zeigten, dass er und K. ziemlich gute Freunde waren.

Autoschilder für 100’000 Franken

F. kam letztes Jahr in der Schweiz zu einiger Prominenz: Er betreibt mit einer Liechtensteiner Firma ein Auktionsportal, bei dem Autoschilder mit tiefen Nummern ersteigert werden können. «Wir haben monatlich 180’000 Besucher» sagte er «20 Minuten» und hielt den Preis von 99’999 Franken fürs Autoschild «SH 1» für «vollkommen realistisch». Die Experten von WebTrafficAgents weisen für die Seite wenig mehr als 7500 Klicks pro Monat aus.

Offenbar hat Michel K., der sich nun auch «von Rosenberg» nennt, mit seinen irreführenden Zahlscheinen grossen Erfolg. Denn schon bald suchte er Verstärkung: Die telefonische Betreuung seiner «Kunden» durfte eine «junge Studentin oder Dame» übernehmen.

Sein Geschäftsmodell steht auf äusserst schwachen Beinen: Das Bundesgericht in Lausanne urteilte, dass solche Zahlscheine gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) verstossen.

K. weist alle Vorwürfe zurück

K. äusserte sich gegenüber der «az Aargauer Zeitung», dass sein Firmenindex einen Mehrwert gegenüber dem offiziellen Register von Liechtenstein biete. Daher distanziere er sich von dem Vorwurf, der Eintrag sei «wertlos». Auch den Vorwurf, seine Formulare würden eine täuschende Ähnlichkeit mit den Liechtensteinischen Behörden aufweisen, lässt er nicht gelten.

Zu weiteren Fragen dieser Zeitung wollte K. keine Stellung nehmen.

Mehr: Bundesgerichtsurteil

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