Prügelnde «Hells Angels» mischten bereits 2009 im Kanton Bern Motorrad-Club auf

Nachdem die «Aargauer Zeitung» (AZ) über die Schlägerei/Schiesserei zwischen den Töffclubs (MCs) «Outlaws» und «Hells Angels» erstmals vor zwei Wochen berichtete, beherrschte dieses Thema die Medien in der Schweiz für einige Tage.

Wenig später recherchierte AZ-Reporter Michael Spillmann, dass bereits vor der Baseball-Schläger-Aktion ein Überfall mit Molotov Cocktails auf den «Outlaws»-Club stattfand.

«Beobachter»-Journalist Peter Johannes Meier hat ebenfalls recherchiert. Sein Artikel «Hells Angels: Ein höllisches Geschäft» geht näher auf die Verstrickungen im Schweizer Milieu ein.

Journalist Urs Byland vom «Langenthaler Tagblatt» hat sich an Vergangenes erinnert, das sich in seiner Region im Oberaargau zugetragen hat. Er nimmt dabei Bezug auf einen Artikel von Julian Perrenoud der «Berner Rundschau» vor einem Jahr (beide Zeitungen gehören auch zur AZ Medien Gruppe und haben die «Solothurner Zeitung» als Mutterhaus) .

Hier in Thunstetten/Bützberg prügelten sich die Hells:


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Und nun die zwei Berichte von Byland und Perrenoud, die bisher nicht im Web publiziert wurden:

Zugeschlagen wird mit klarer Absicht

Im Aargau gebärden sich «Hells Angels» als Hooligans.
In Bützberg fühlt man
sich an einen Vorfall vor drei
Jahren erinnert. Und: Ein Insider
weiss, warum die
«Angels» keine Engel sind.

Urs Byland

Vor gut einem Jahr berichtete diese Zeitung unter dem Titel «Wenn Engel in der Hölle landen» von einer Gerichtsverhandlung in Aarwangen. Ein Mitglied der berüchtigten «Hells Angels» hatte sich mehr oder weniger stellvertretend für den Motorradklub zu verantworten – jener soll nämlich am 25. August 2007 auf üble Weise ein Familienfest des «Bad Clans» in Bützberg aufgemischt haben. «Bad Clans» feierten auf dem Gelände vis-à-vis des Bützberger Pascha Clubs.

Um 23 Uhr rumorte es auf der Strasse: Ein Konvoi von Motorrädern bog auf den Parkplatz ein: die «Hells Angels». Bis zu 100, hiess es. Die Beschuldigten selber sprachen von lediglich 40 bis 50. In einem Festzelt schlugen sie mit brutaler Gewalt auf vier Mitglieder des «Bad Clans» ein. Eines erlitt einen Nasen- und Rippenbruch.

Wiederholung in Ehrendingen

Am letzten Samstag fand im aargauischen Ehrendingen ein ähnlicher Vorfall statt. Der Motorradklub «Outlaws» feierte seine Gründungsversammlung, als eine hundert Mann starke Motorradgruppe mit «Hells Angels» auftauchte.

Es kam zu einer Schlägerei. Es fielen gar Schüsse. Bilanz des Angriffes: ein Sachschaden von über 100000 Franken sowie eine leicht verletzte Person. Wie im Nachhinein zu erfahren war, gab es bereits im April einen Brandanschlag auf das Klublokal der «Outlaws». Vermutet wird, dieser Brandanschlag sei eine erste Warnung der «Hells Angels» gewesen. Die Frage aber bleibt: weshalb schlagen die «Hells Angels» zu?

Platzhirsch befiehlt

Ein Insider aus der Region glaubt zu wissen, was der Grund für die Gewaltexzesse der «Hells Angels» sein könnte. «Es geht immer um das Gleiche. Die «Hells Angels» machen alles nieder, was nicht ihrer Gesinnung entspricht. Wer einen Motorradklub gründen will, muss zuerst die Zürcher fragen, ob er dies tun darf.»

Er verweist auf die Internetseite www.bike-time.ch, auf der schon mal klar gemacht wird, dass bei Neugründungen mit der nötigen Vorsicht vorgegangen werden soll. «Die Schweizer Bikerszene hat ihre eigenen Regeln, was Neugründungen von Patch-Clubs betrifft!» Es folgt eine E-Mail-Adresse, wo man sich melden solle.

«Da wollen die Zürcher entscheiden, ob jemand im Emmental einen Töffklub gründen darf oder nicht», empört sich der Insider. In der Schweiz werde die Motorradklub-Szene von den «Hells» dominiert.

Den Hinweis auf Konkurrenz in Geschäftsbereichen, in denen die «Hells Angels» möglicherweise aktiv sind, lässt der Insider nicht gelten. «Ja, dort wo man Geld holen kann, haben die «Hells Angels» ihre Finger drin, aber die Outlaws beispielsweise haben noch nie ein Problem gemacht.»

Diese Aussage ist beschönigend. In Deutschland beispielsweise befasst sich der Bundesverfassungsschutz mit den «Outlaws». Dort tobt ein Krieg zwischen den Motorradklubs «Hells Angels», «Outlaws» und «Bandidos», der auch schon Todesopfer kostete und der möglicherweise nun in die Schweiz ausstrahlt.

Nur einen erwischt

Der Richter in Aarwangen war vor einem Jahr wenig erfreut, dass er nur über eine Person urteilen konnte. Denn der Angeklagte sei nicht Haupt-, sondern Mittäter. Er wurde wegen einfacher Körperverletzung zu einer bedingten Strafe von 7500 Franken verurteilt.

Der geforderte Schadenersatz des Opfers (700 Franken für Krankenkassen-Selbstbehalt) wurde ebenfalls gutgeheissen. Hinzu kamen Busse (1500 Franken) und Verfahrenskosten (1200 Franken).

© Langenthaler Tagblatt / MLZ; 18.06.2010

Wenn Engel in der Hölle landen

Beim Stichwort Gewalt taucht der Motorradclub «Hells Angels» nicht zufällig in den Schlagzeilen auf. Diesmal sollen die Engel in Bützberg eine friedliche Party brutal beendet haben.

Julian Perrenoud

St. Gallen und Bern – die beiden Kantone wurden gestern keine Freunde. Der Grund war ein Ostschweizer, der vor dem Aarwanger Einzelrichter sass. Das Mitglied der berüchtigten «Hells Angels» hatte sich mehr oder weniger stellvertretend für den Motorradclub zu verantworten – jener soll nämlich am 25. August 2007 auf üble Weise ein Familienfest des «Bad Clans» in Bützberg aufgemischt haben.

Dieser feierte auf dem Gelände vis-à-vis des Bützberger Pascha Clubs. Doch um 23 Uhr rumorte es auf der Strasse: Ein Konvoi von Motorrädern bog auf den Parkplatz ein: die «Hells Angels». Bis zu 100, hiess es.

Die Beschuldigten selber reden lediglich von 40 bis 50. In einem Festzelt schlugen sie mit brutaler Gewalt auf vier Mitglieder des «Bad Clans» ein. Eines erlitt einen Nasen- und Rippenbruch. Martin B.* landete im Krankenhaus. Tage später entdeckte er in einer Motorradzeitschrift das Foto des Angeklagten.

Gibt es ungeschriebene Gesetze?

Doch Halt: So soll es ja gar nicht gewesen sein! Sagten zumindest der Angeklagte und seine zwei Anwälte im Schlepptau. Richter Roland Richner zeigte sich verwirrt: Warum zwei Anwälte? Und wer von ihnen besitzt die Vollmacht? Der eine lächelte verständnisvoll, fügte an: «In der Ostschweiz ist das üblich.»

Selbstverständlich könne er eine solche, vom Angeklagten ausgestellt, vorweisen. Das Spielchen lenkte beinahe vom eigentlichen Fall ab. Denn es waren viele Zeugen geladen.

Welchen Grund könnte es also haben, dass die «Hells Angels» mit ihren Motorrädern nach Bützberg brausten? Der Privatkläger, Martin B., wusste es nicht. «Ich kann nur vermuten.»

Einer vom «Bad Clan» soll mit einem deutschen Motorradclub verkehrt haben. Die Schweizer Höllenengel hätten darauf gefordert, dies zu unterlassen. Martin B.: «Ich wusste nicht, dass es in dieser Szene ungeschriebene Gesetze gibt, die wir befolgen müssen.» Doch offensichtlich gibt es sie.

Anderer Ansicht waren die vorgeladenen Höllenengel. Sie hätten sich nur kurz beim besagten Fest aufgehalten. Von einer Schlägerei sei ihnen nichts bekannt. Gründe für den Angriff? «Ich wüsste keinen», sagte einer der drei.

Busse von 1500 Franken gesprochen

Richter Richner allerdings fand einen – nämlich den des Opfers. «Das Gericht sieht den geschilderten Ablauf als glaubwürdig an. Es ist unbefriedigend, dass wir nur über eine Person urteilen können.»

Denn der Angeklagte sei nicht Haupt-, sondern Mittäter. Er wird wegen einfacher Körperverletzung zu einer bedingten Strafe von 7500 Franken verurteilt. Der geforderte Schadenersatz des Opfers (700 Franken für Krankenkassen-Selbstbehalt) wurde ebenfalls gutgeheissen. Hinzu kommen Busse (1500 Franken) und Verfahrenskosten (1200 Franken).

Nachvollziehen konnten die Verteidiger den Schuldspruch nicht: «Das habe ich noch nie erlebt», wetterte der eine nach Verhandlungsschluss. Er werde das Urteil anfechten. «Wenn in einer Hooligan-Gruppe ein normaler Fan verhaftet wird, ist er dann automatisch schuldig?»

Die Aussage wird dem Anwalt wohl versehentlich herausgerutscht sein. Plädierte er zuvor auf unschuldig, bestätigt er damit quasi den Übergriff auf den «Bad Clan». Die andere Seite kümmerts wenig: Martin B.: «Ich habe erreicht, was ich wollte.»

*Name geändert

© Berner Rundschau / MLZ; 29.05.2009

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