Porno-E-Mails für Abzock-Webseiten führen in die Basler Medienszene und zu deutschen Hintermännern. Dem TA liegen umfangreiche Akten vor.
Von Christian Bütikofer
Für die Firma Happy Passion
wurden im April und Mai Spam-E-Mails mit dem Betreff «Ihr Nacktbild wurde freigegeben» verschickt. Mit diesem Trick lockte man die erschreckten E-Mail-Empfänger auf eine Website. Anstatt dass sie dort ihre angeblichen Nacktbilder löschen konnten, wurde den Leuten ein «Vertrag» für Pornobilder untergejubelt. Kurze Zeit später folgte die Rechnung, in der zur Zahlung von knapp 150 Franken aufgefordert wurde. Mit weiteren «Mahnungen» und «Letzten Mahnungen» versuchte die Firma Druck auf Geneppte auszuüben.
Mehrere deutsche Polizeistellen haben sich über die Happy Passion erkundigt, wie beim Zuger Business Center zu erfahren war, das für die Happy Passion den Briefkasten leerte – inzwischen wurde der Happy Passion dort gekündigt. Die Post wird jetzt wieder nach Frauenfeld weitergeleitet, wo die Firma zwar offiziell schon immer ihren Sitz hatte, jedoch dem Vermieter unbekannt ist. Seit Anfang Jahr verfügen weitere Firmen aus dem Kreis der Happy Passion dort über kein Domizil mehr.
Ärger vom Bund
Ungemach droht nun vom Bund: Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), sonst eher für Zurückhaltung bekannt, schlägt erstmals einen klaren Ton an und warnt in einer Pressemitteilung vor der «Spam-Betrügerei der Happy Passion».
Als Geschäftsführer der Happy Passion zeichnet David «Dave» Joss (31). Er verwahrt sich gegen die Aussage des Seco: «Die Happy Passion bewirbt ihre Produkte und Dienstleistungen nicht selber, hierfür sind externe Werbepartner, so genannte Affiliates, verantwortlich», schreibt Joss dem TA. Es hätte Reklamationen gegenüber einem dieser Werbepartner gegeben und man habe daraufhin den Vertrag mit ihm «fristlos gekündigt». Spam schliesse man vertraglich aus, meint Joss und behauptet: «Sämtliche Empfänger haben dem Empfang von elektronischer Werbung ausdrücklich zugestimmt.» Es hätten weniger als ein Prozentder Happy-Passion-Kunden reklamiert, meint Joss.
Die Happy Passion tut gut daran, nicht in Spamversand verwickelt zu sein, denn seit 2007 ist dies auch in der Schweiz strafbar.
«It’s only porn!»
Eigentlich ist Dave Joss Fotograf beim Gratisanzeiger «Baslerstab». Seine Affinität zur Internetpornoszene stellte er 2007 unter Beweis, als er im Privatsender U1 der Öffentlichkeit als «Betreiber der Plattform PrivateSwiss» vorgestellt wurde. Auf dieser Webseite sollten Privatpersonen ihre selbst gemachten Pornobilder ins Web stellen – Slogan: «It’s only porn!». PrivateSwiss war ein Projekt der Happy Passion. Ein Dokument, das dem TA vorliegt, zeigt, dass die Cupido Entertainment aus Frauenfeld früher massgeblich an der Happy Passion beteiligt war. Die Cupido Entertainment zeichnete für die Webseite PrivateOnly verantwortlich; dabei handelt es sich um die gleiche Geschäftsidee, wie bei PrivateSwiss.
Wenn man in der Abofallenszene recherchiert, landet man früher oder später immer wieder bei Exponenten, die entweder für die Cupido auftraten oder bei ihr arbeiteten; nicht wenige stammen aus Basel. Die jüngste Aktion mit dem Nacktbild-Spam ist bloss die letzte Episode in einer Abzock-Saga epischen Ausmasses, die seit 2006 anhält. In der Vergangenheit sorgten Personen dieses Umfelds durch teure «Umfragen» mit Gewinnversprechen per Telefon für Furore; auch erhielten Internetnutzer Spam für Pseudo-Gratisangebote im Web – mit anschliessendem zahlungspflichtigem «Vertrag».
Erstmals fiel dabei der Ex-Journalist Beat Alder (der sich heute nach dem Namen seiner Frau auch Beat Gomes Rocha nennt) negativ auf, kurz nachdem sein Zeitungsprojekt «Stadt-Zytig» Schiffbruch erlitt und er sich mit Geschäftspartnern verkrachte. Die «Basler Zeitung» wusste damals zu berichten, Alder und sein ehemaliger Redaktor Dave Joss hätten im Zuge dieser Auseinandersetzungen mit unkonventionellen Methoden versucht, Computer aus der «Stadt-Zytig»-Redaktion «zurückzuholen» – die Polizei musste schlichten.
Bewährte alte Seilschaften
Bald darauf begann Alders Karriere als Abofallen-Abzocker: Er verramschte «Gratiskondome», versprach Abhilfe bei Alkoholproblemen, suchte Hobbypornodarsteller oder gab Flirttipps – immer mit der versteckten Kostenpflichtigkeit und Spamversand. Darauf angesprochen, meinte Alder damals gegenüber dem TA, nicht er versende Spam, sondern Affiliate-Werbepartner – die gleiche Argumentation also, wie sie nun Joss bei der Happy Passion vorbringt.
Recherchen zeigen, dass es Geschäftsverbindungen zwischen Alder und Personen aus Deutschland gegeben haben muss, gegen die die Staatsanwaltschaft Göttingen ermittelte und Ende 2007 Hausdurchsuchungen durchführte (TA vom 17. 3. 2008). Die Deutschen – einer von ihnen ist O. S. – stehen im Verdacht, für eine ähnliche Abzocke verantwortlich zu sein, wie sie jetzt die Happy Passion betreibt. Kurz nachdem Alder mit seinen Abofallen auf der Bildfläche erschien, tauchte er auch als Pressesprecher der Cupido auf.
Für die Geschäfte der Cupido in der Schweiz war Benjamin Aebischer besorgt – er war ein alter Bekannter Beat Alders. Beide spielten 1999 in der so genannten Basler Justizaffäre eine Rolle, wo sich Exponenten des Basler Rotlichtmilieus und die Justiz einen erbitterten Kleinkrieg lieferten. Aebischer und Alder waren sich danach geschäftlich verbunden. Auch David Joss, der Happy-Passion-Chef, tauchte in Aebischers Umfeld auf: Für die Kampfshow «Swiss Las Vegas», wo sich die «Crème de la Crème» der Thaiboxszene im Dezember 2007 ein Stelldichein gab, besorgte er die Öffentlichkeitsarbeit. Veranstalter war Benjamin Aebischer. Dieser musste bald danach seinen Geschäftsführerposten bei der Cupido aufgeben.
Dicke Briefumschläge
Dem «Tages-Anzeiger» liegen umfangreiche interne Dokumente vor, die zeigen, dass sowohl Benjamin Aebischer wie auch S. zu den Hintermännern der Happy Passion gehören. Die Einnahmen – an nur einem Tag über 5000 Euro – werden nach einem Schlüssel verteilt, wobei S. mit 30 Prozent und Benjamin Aebischer mit 40 Prozent beteiligt sind. Offenbar besprach man sich letzten Montag in der Schweiz und legte fest, dass sämtliche Abofallen-«Verträge» nun durch die Inkassofirma Euroliquid eingetrieben werden sollen.
In den dem TA vorliegenden Dokumenten ist auch die Rede von «dicken» Umschlägen, die S. in der Schweiz abholt. Ebenfalls mit 30 Prozent an der Happy Passion beteiligt ist Christian Hoffmann, Vorstand des Internetproviders IP69 Internet Solutions. Die IP69 wird seit Jahren regelmässig in Zusammenhang mit Abofallen und E-Mail-Spam in Verbindung gebracht.
Gegendarstellung (nachträglich bewilligt für die elektronische Fassung):
Im Artikel wird behauptet, Benjamin Aebischer sei einer der Hintermänner der Firma Happy Passion und an den Einnahmen der von ihr via Abzock-Webseiten versandten Porno-Emails beteiligt. Dies trifft nicht zu. Benjamin Aebischer ist in keiner Weise mit den beschriebenen Spam-Aktivitäten verbunden und er ist insbesondere weder Gesellschafter der Firma Happy Passion noch in irgendeiner Form an deren Einnahmen beteiligt. Im Artikel wird weiter behauptet, Benjamin Aebischer habe seinen Geschäftsführerposten bei der Cupido Entertainment AG aufgeben müssen. Auch dies ist nicht zutreffend. Benjamin Aebischer hat seine Tätigkeit bei der Cupido Entertainment AG völlig freiwillig beendet und ist selber und in gutem Einvernehmen bei der Cupido Entertainment AG ausgeschieden.
Benjamin Aebischer
Der TA hält an seiner Darstellung fest.
Eine Gegendarstellung erlaubt es dem Betroffenen, nachteilige Behauptungen mit eigenen Gegenbehauptungen zu ergänzen. Die Redaktion ist gesetzlich dazu verpflichtet, sie abzudrucken.
© Tages-Anzeiger; 02.06.2008